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Aus: Ausgabe vom 26.06.2025, Seite 1 / Titel
Krieg im Iran

Krieg der Informationen

Geheimdienstbericht: Zweifel am Erfolg des US-Angriffs auf Nuklearprogramm des Iran. US-Regierung widerspricht: Anlagen »vollständig zerstört«
Von Jörg Kronauer
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Echte Erfolgsmänner wie die da haben keine Misserfolge: US-Präsident Trump und sein Außenminister Rubio

Nach dem Waffenstillstand in Israels Krieg gegen Iran spitzen sich die Auseinandersetzungen um das iranische Atomprogramm erneut zu. Ein US-Geheimdienstbericht sowie israelische Militärquellen legen nahe, dass die Behauptung von US-Präsident Donald Trump nicht zutrifft, wonach das Nuklearprojekt durch das US-Bombardement gänzlich »ausgelöscht« worden sei. Wie es in einem Bericht des US-Militärgeheimdienstes DIA heißt, aus dem US-Medien zitieren, sei Teheran weiterhin im Besitz fast seines gesamten nuklearen Materials. Die Rede ist von rund 400 Kilogramm auf 60 Prozent angereicherten, fast waffentauglichen Urans. Auch seien die Schäden an den Atomanlagen insbesondere in Fordo geringer, als einige gehofft hätten. Die DIA geht davon aus, dass die Zeit bis zum technisch möglichen Bau einer Atombombe um weniger als sechs Monate verzögert worden sei. Die New York Times zitierte schon am Dienstag (Ortszeit) israelische Militärs, denen zufolge die unterirdischen Anlagen in Fordo nicht zerstört worden seien.

Trump, der im Mittleren Osten für Ruhe sorgen will, um den Rücken für den Machtkampf gegen China freizuhaben, war am Mittwoch sichtlich bemüht, jeden Zweifel am Erfolg des US-Bombardements zu zerstreuen. Am Rande des NATO-Gipfels in Den Haag erklärte er, das iranische Atomprogramm sei um »Jahrzehnte« zurückgeworfen worden, die Atomanlagen des Landes seien »vollständig zerstört«, anderslautende Berichte seien falsch. Außenminister Marco Rubio sekundierte – erheblich vorsichtiger –, es sei »sehr bedeutender Schaden an verschiedenen Komponenten« entstanden, Teheran sei »deutlich weiter von einer Atomwaffe entfernt«. Nach anfänglichem Widerstand – Israel hatte den Waffenstillstand zunächst zu torpedieren versucht und dies erst auf erheblichen Druck von Trump unterlassen – schlossen sich am Mittwoch auch israelische Quellen an. So erklärte Militärsprecher Effie Defrin, man habe das Atomprogramm »um Jahre zurückgeworfen«. Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte am Mittwoch, man habe es »dem Vergessen anheimfallen lassen«.

Unterdessen zieht der nächste Konflikt mit der UN-Atomenergiebehörde (IAEA) herauf. Deren Leiter Rafael Grossi dringt darauf, so rasch wie möglich Zugang zu den soeben erst von Israel und den Vereinigten Staaten bombardierten Atomanlagen zu erhalten. Die IAEA-Inspektoren sollten den Zustand der Anlagen bewerten und die noch vorhandenen Bestände an angereichertem Uran überprüfen, verlangte Grossi am Mittwoch in Wien. In Teheran freilich ist die Neigung, die Zusammenarbeit mit der IAEA fortzusetzen, im Verlauf des Krieges erheblich geschrumpft – insbesondere, weil die Behörde zwar die Angriffe auf die Nuklearanlagen abstrakt kritisiert, nicht aber die Angreifer Israel und die USA explizit verurteilt hatte. Sie wird deshalb als noch parteiischer als schon zuvor wahrgenommen. Das iranische Parlament beschloss am Mittwoch die Aussetzung jeglicher Kooperation mit der IAEA. Dies muss allerdings noch vom Obersten Nationalen Sicherheitsrat Irans und damit vom »Obersten Führer« Ali Khamenei persönlich bestätigt werden, der damit Verhandlungsspielraum erhält.

Premierminister Netanjahu wiederum teilte am Mittwoch mit, er sehe den Kampf gegen Iran und gegen dessen Verbündete als längst noch nicht beendet an. Trotz aller »enormen Errungenschaften« habe er nicht vor, den »Fuß vom Pedal zu nehmen«; er wolle »den Kampf gegen die iranische Achse zu Ende führen«.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (25. Juni 2025 um 21:08 Uhr)
    Die offizielle Darstellung der Vereinigten Staaten über den Erfolg ihres Angriffs auf das iranische Atomprogramm wirft erhebliche Fragen auf. Entweder wurde der Iran im Vorfeld über den bevorstehenden Angriff informiert, oder aber es gab einen Hinweis durch Dritte, etwa Russland oder China. Auffällig bleibt in jedem Fall ein zentraler Punkt: Es wurde keinerlei austretende Radioaktivität gemessen. Hätte es tatsächlich Explosionen in Anlagen mit angereichertem Uran oder an Zentrifugen gegeben, wäre eine messbare radiologische Reaktion sehr wahrscheinlich gewesen. Die Abwesenheit solcher Messwerte lässt Zweifel an der behaupteten Zerstörungskraft des Angriffs aufkommen. Die Behauptung, das iranische Atomprogramm sei um »Jahrzehnte« zurückgeworfen worden, wirkt unter diesen Umständen eher propagandistisch als faktenbasiert. Wenn das Nuklearprogramm im Kern weiterbesteht und der Iran gleichzeitig wiederholt ballistische Raketen abfeuert – von denen einige sogar Israels hochmoderne Luftabwehrsysteme durchbrechen konnten – stellt sich die Frage: Was genau haben die Vereinigten Staaten und Israel tatsächlich erreicht? Der Iran wiederum begeht einen strategischen Fehler. Der Versuch, sich aus einem Gefühl nationalen Stolzes heraus als bündnisfreie Regionalmacht zu behaupten, erscheint im Zeitalter globaler Vernetzung zunehmend rückwärtsgewandt. Die geistliche Führung in Teheran klammert sich an ideologische Dogmen und verliert damit zusehends den Anschluss an die weltpolitische Realität. Sowohl auf militärischer als auch auf politischer Ebene hinterlässt der aktuelle Kurs auf allen Seiten mehr Fragen als Antworten. Symbolische Stärke ersetzt keine nachhaltige Strategie – weder für Washington und Tel Aviv noch für Teheran.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in André M. aus Berlin (26. Juni 2025 um 11:44 Uhr)
      Ich teile ihre Einschätzung. Das Hauptmanko für Teheran ist es, dass der Iran über keine Verbündeten (Staaten) verfügt und viel zu lange zögerte und weiter zögert verbindliche Vereinbarungen mit potentiell befreundeten Ländern einzugehen und diese mit Leben zu erfüllen – aus wohlverstandenem eigenem Interesse.
  • Leserbrief von Heinrich Hopfmüller aus Hjörring (25. Juni 2025 um 20:21 Uhr)
    Zur Information (aus wikipedia): »Daher spricht man erst ab einem Anreicherungsgrad von 85 % von weapons-grade. Die am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfene Bombe Little Boy enthielt knapp 60 kg auf 93 % angereichertes HEU.« (engl. highly enriched uranium, HEU). Aus 400kg auf sechzig Prozent angereichertem Uran 235 könnte man also Material für 4,3 Hiroshima-Bomben basteln. Allerdings müsste man erst noch eine Weile anreichern.... Leseempfehlung: https://de.wikipedia.org/wiki/Hochangereichertes_Uran , da kann man lesen, dass Israel geschätzt über 300kg HEU verfügt, also Material für fünf Hiroshima-Bomben. Die Anzahl der israelischen Atombomben wird auf 90 bis 400 geschätzt. D. h., 85 bis 395 Atombomben sind mit Plutonium gefüllt. Wieviel waffenfähiges Plutonium hat der Iran? Man lese: https://en.wikipedia.org/wiki/Nuclear_weapons_and_Israel

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