»Es wird auf jeden Fall Konfrontationen geben«
Interview: Max Grigutsch
Die DGB-Bezirksjugendkonferenz Hessen-Thüringen hat Ende Mai einige friedenspolitische Anträge beschlossen. Welche Positionen wurden durchgesetzt?
Max Ernst: Zum einen lehnen wir mit dem Antrag »Weniger Waffen, mehr Frieden« das Zweiprozentziel der NATO und die Präsenz der Bundeswehr in Öffentlichkeit und Schulen ab. Zum anderen stellen wir uns gegen Rüstungsexporte, gegen die Wehrpflicht und gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland. Zudem haben wir eine sehr weitreichende Positionierung zum Nahostkonflikt erreicht. Dazu haben die Gewerkschaften bisher entweder geschwiegen oder sich proisraelisch geäußert. Angesichts der Entwicklung im Nahen Osten und insbesondere der humanitären Notlage im Gazastreifen ist es ein wichtiges Zeichen, dass die DGB-Jugend Hessen-Thüringen sich für Frieden in der Region einsetzt, sich mit den Beschlüssen der Vereinten Nationen auseinandersetzt und gegen die Verletzungen gegen die Menschlichkeit ausspricht.
Bisher hat sich der DGB auch nicht gegen die aktuelle Militarisierung ausgesprochen – im Gegenteil. Bedeuten Ihre Beschlüsse eine Konfrontation mit dem Gesamtverband?
Hulda Thesen: Wir haben Widerstand gespürt, nicht von den Mitgliedern der Konferenz, sondern von den Hauptamtlichen, auch rund um unseren Auftritt am 1. Mai in Frankfurt. Da haben wir mit einem Banner Ausbildungsplätze statt Kriegseinsätze gefordert. Das Hauptamt hat stark dagegen argumentiert und darauf verwiesen, dass der DGB-Bundesvorstand das anders sieht – obwohl es alte DGB-Beschlüsse gegen Aufrüstung gibt. Es handelt sich also um eine Aufweichung dieser Friedensbeschlüsse seitens des DGB-Vorstands und des Hauptamts. Es wird auf jeden Fall Konfrontationen geben.
Aber es gibt wachsende Tendenzen gegen Krieg. Auch, weil die Kollegen am eigenen Leib spüren, dass diese Aufrüstung zu Stellenabbau und weniger Geld für soziale Infrastruktur führt. Trotzdem werden Unmengen in die Militarisierung gesteckt. Dieser Interessenkonflikt wird immer klarer. Diese Beschlüsse sind nicht das Finale, sondern vermutlich erst der Beginn der Auseinandersetzung.
M. E.: Innerhalb der Gewerkschaften gibt es eine Lücke zwischen dem, was der Bundesvorstand herausgibt, und dem, was zum Beispiel die DGB-Jugend an Positionen hat. Laut gewerkschaftlicher Demokratie dürfte ein Bundesvorstand keine Beschlüsse fassen. Er darf Erklärungen im Rahmen der Beschlusslage herausgeben. In unserem Fall haben wir bundesweit geltende Beschlüsse von 2017 und 2021 im Jugendbereich, die sich gegen Militarisierung aussprechen und noch nicht überholt sind.
In bezug auf Palästina scheint es eine ähnliche Diskrepanz zu geben. Was wurde dazu entschieden?
M. E.: Der beschlossene Antrag beschreibt die Situation im Gazastreifen und in der Westbank: Dass Israel zum Beispiel Hunger als Waffe einsetzt, sich nicht an das Völkerrecht hält, zivile Infrastruktur angreift und so weiter. Wir beziehen uns auf die internationalen Institutionen und fordern auch die Bundesregierung auf, Druck für eine Zweistaatenlösung aufzubauen.
Ist angesichts des jüngsten propagandistischen Umschwungs in der deutschen Politik- und Medienlandschaft auch eine Neuorientierung der Gewerkschaften zu erwarten?
M. E.: Laut einer ZDF-Umfrage halten inzwischen 80 Prozent der Deutschen Israels Vorgehen für falsch. Dieser Umschwung hat sich auch auf der Konferenz widergespiegelt. Der DGB wird das nicht einfach so hinnehmen. Spätestens auf der Bundesjugendkonferenz wird es da noch mal zu Diskussionen kommen und Druck aufgebaut werden.
H. T.: In den nächsten Monaten ist es wichtig, dass wir diese Beschlüsse in den Gremien umsetzen. Wir haben jetzt den Rahmen, was zu machen, mit weniger Angst vor Repressionen oder innergewerkschaftlichen Problemen zu Frieden oder zu Palästina zu arbeiten.
Hulda Thesen und Max Ernst (Namen geändert) sind aktiv in der DGB-Jugend und Teil der Jugend- und Auszubildendenvertretung
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