Streik am Knotenpunkt
Von Yaro Allisat
Drei mal zwei: Zweite Verhandlungsrunde beim BRD-Logistikriesen DHL in Leipzig, zum zweiten Mal legt die Geschäftsführung kein Angebot vor – und nun gehen die Arbeiter zum zweiten Mal in den Streik, von Mittwoch abend bis Freitag nacht am DHL-Frachtdrehkreuz am Flughafen Leipzig/Halle. Die Geduld Tausender Packer sowie Logistik- und Büroangestellter sei erschöpft, wurde Normen Schulze, Landesfachbereichsleiter bei Verdi, am Mittwoch in einer Mitteilung zitiert. Sie seien stinksauer »und zeigen nun, wie ernst es ihnen ist«.
An den Streikposten sei die Stimmung kämpferisch, so Schulze gegenüber jW. Allein Mittwoch abend seien es rund tausend Beschäftigte gewesen und am Donnerstag tagsüber schon 400. Nur dringende medizinische Lieferungen würden über einen Notdienst abgedeckt. Ferner habe gewährleistet werden müssen, dass Piloten sicher landen können, berichtete der MDR am Donnerstag. Insgesamt 6.000 Personen arbeiten am DHL-Hub in Schkeuditz zwischen Leipzig im Südosten und Halle im Nordwesten.
Von der DHL-Geschäftsführung hieß es, die Forderung nach zwölf Prozent mehr Lohn sei angesichts der wirtschaftlichen Situation in Deutschland und global »völlig unrealistisch«. Das lässt Schulze nicht gelten. Erst kürzlich habe DHL die Paketpreise erhöht. »Der Konzern macht aktuell vier Milliarden Euro Gewinn«, weiß Schulze. 2,1 Milliarden Euro an Dividenden wurden zudem an Aktionäre ausgeschüttet.
Der Standort Leipzig ist weltweit der größte von drei DHL-Hubs – und damit auch strategisch günstig für einen Arbeitsausstand, denn: »Wenn dieses Drehkreuz nicht wäre, würde der Konzern keinen Euro verdienen«, so Schulze weiter.
Bereits im Februar war Verdi mit einer Mehrheitspetition der Beschäftigten vor der Tarifauseinandersetzung gestartet. 3.224 Beschäftigte unterschrieben für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen am Flughafen. Die DHL-Chefs drückten sich selbst vor einem Termin für die Petitionsübergabe.
Die erste Verhandlungsrunde fand am 9. Mai statt – erwartungsgemäß ergebnislos. Verdi mobilisierte die Belegschaft am Paketumschlagplatz zum ersten Warnstreik Ende Mai. Sollte auch in der dritten Verhandlungsrunde kommende Woche kein Angebot des Konzerns folgen, sei man weiter streikbereit, heißt es seitens der Gewerkschaft. Unterstützung erhalten die Arbeiter unter anderem vom Landtagsabgeordneten Nam Duy Nguyen von der Linkspartei. Auch Abgeordnete der SPD waren vor Ort und drückten ihre Solidarität aus.
Übrigens: Am örtlichen DHL-Hub sind es die ersten Arbeitskampfmaßnahmen seit knapp zwölf Jahren. Verdi beendete Tarifverhandlungen zuvor »friedlich«, also ohne Streiks. Der Ausstand jetzt deutet auf eine Neuorientierung der Gewerkschaft hin: weniger Komanagement, mehr Konfliktbereitschaft. Dafür nutzen Gewerkschafter nun auch bei DHL das sogenannte Organizing, eine gezielte Ansprache der Arbeiter für den Aufbau großer Streikbewegungen und bestenfalls eine Demokratisierung der Gewerkschaft selbst. Der aktuelle Streik könnte so auch Unzufriedenheit mit der Gewerkschaft, die sich unter den Beschäftigten ausgebreitet hat, abbauen.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Proteste von Klimaaktivisten, weil DHL am Flughafen Leipzig/Halle (LEJ) keine CO2-Emissionsgrenzen einhalten muss. Auch Anwohner fordern seit Jahren ein Nachtflugverbot, um sich vor Fluglärm zu schützen. Dennoch blockieren Landesregierung und Kapitalverbände strengere Auflagen. Der Flughafen wird als »Wirtschaftsmotor« verklärt, während Umweltschutz und Lebensqualität systematisch ignoriert werden. Statt Konzerne wie DHL in die Pflicht zu nehmen, wird deren Profitinteresse über Klima- und Gesundheitsschutz gestellt – auf Kosten der Menschen vor Ort.
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