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Leserbrief zum Artikel Kommentar: Die Selbstgerechte vom 10.04.2021:

Grüne machen’s vor

Wer Wagenknecht beurteilen möchte, muss sie verstehen. Ein paar Stichworte herausgreifen, um für oder gegen sie ein Urteil zu verkünden, ist kontraproduktiv. Ich habe das Buch gekauft und zu lesen begonnen. Ein Satz sticht sofort als gegenwärtige Lagebeschreibung heraus: »Statt miteinander zu reden, schreit man sich nieder.« Das Wort führen meist nicht die politisch Verantwortlichen, sondern Claqueure, »Möchtegernpolitiker«, also die Meinungsmacher und Verunsicherer. Es muss ein Klima sachlicher und fruchtbarer Diskussion geschaffen werden. Fertigwaren liefern andere genug. Etwas unglücklich ist die Wahl des Titels. Der Begriff der »Selbstgerechtigkeit« ist überdimensioniert und verführt zu sinnlosem Bestreiten oder Schmollen. Selbstgerechtigkeit ist eine ganz normale menschliche entwicklungsfähige Geisteshaltung, ist Quelle sowohl von Überheblichkeit, Rechthaberei am falschen Platze, Schuldsuche bei anderen, Schwätzerei, aber eben auch von Meinungsfestigkeit, Überzeugung und als ein Element des Vertrauens, also Charakterstabilität gegen Instabilität. Nur der Begriff »Selbstkritik« im Sinne einer Bereitschaft zur Überprüfung der eigenen Meinung ist der Selbstgerechtigkeit fremd. Aber deshalb diese streitbare wissenschaftliche Überschrift? Besseres fällt mir im Augenblick auch nicht ein. Sahra Wagenknecht gehört nicht zu den »Selbstgerechten«, wenngleich auch sie nicht frei von Irrtümern war. Ihre Irrtümer zum Maßstab eines Urteil über das neue Buch zu nehmen, ist nicht zu empfehlen.
Hier kurze Anmerkungen zum 1. Teil: »Was vergiftet das Meinungsklima?« Diese Frage und Meinung sollte man anders (selbstkritischer) ausdrücken. Z. B.: »Leider vergiftet die Linke tüchtig mit«. Wagenknechts Thesen zum »Linksliberalismus« sind im Kern richtig, aber auch verführerisch und ohnehin in diesem kalten Geisteskrieg nicht vollständig zu schaffen. Jede Theorie mit einem angehängten »Ismus« behindert fruchtbaren Streit, führt zu Irrtum, Rechthaberei bis zu Alleinherrschaftspraktiken. In der gegenwärtigen Phase abartiger Meinungsbildung kann den Menschen eine tragfähige linke Politik nur über den Verzicht auf »holzhammerartige« Losungen nahegebracht werden, z. B. ohne Rede von einer »radikalen Revolution« oder anderen »radikalen« politischen Änderungen. Die Welt verändert sich in mehr oder minder fassbaren Abschnitten nur unter jeweils veränderten natürlichen und/oder organisierten Bedingungen, die von den Menschen gemacht, verstanden und akzeptiert werden. Begriffe nutzen sich ab bzw. werden als Negativworte manipuliert. »Radikale Revolutionäre« werden misstrauisch beäugt. Zur Zeit fallen neue Begriffe wie »Aktivisten« für Konterrevolutionäre oder »Kritiker« für Gegner auf. Unsere Sprache wird zunehmend verhunzt und jeder möglichen Manipulation der Menschen untergeordnet. Die Medien erfinden fleißig mit. »Salonrevolutionäre« und »Links-«, »Rechts-« bis »Mitteliberale« sind irrige Begriffe, ebenso wie medial negativ gemachte, ehedem gute Worte, sie streuen Sand in das geistige Getriebe. Sachlichkeit ist das bessere Mittel dagegen. Da darf man auch einmal mit der Faust auf das Pult donnern. Die Linke muss sich sputen, sonst geht die Post anderswo ab. Die Grünen machen vor, wie es geht.
Dr. Hans-Herbert Nehmer
Veröffentlicht in der jungen Welt am 23.04.2021.
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