Gegründet 1947 Mittwoch, 24. Dezember 2025, Nr. 299
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Weihnachten, Beilage der jW vom 24.12.2025
Weihnachten

Das Fest der Feste

Von Weihnachten und Gänsen gilt: Sie müssen gefüllt werden
Von Felix Bartels
1.JPG

Stern über Bethlehem. Ob Jesus tatsächlich Steinbock war, wusste nicht mal Kepler. Die Religion jedenfalls, die er begründete, ist danach: strukturfixiert, traditionsbewusst, verkopft. Vom universellen Elohim zum zornigen Jahwe lebt das bis in die Reformation fort, über die Engels notierte, dass sie die äußeren Ketten des Katholizismus abgelegt hat, um das Herz in Ketten zu legen. Wer wirklich glaubt, kann auch ohne Liturgie unfrei sein. Das Weihnachtsfest allerdings ist reines Ritual, seinen Inhalt hat es lange verloren. So kann man es selbst füllen, also liebhaben. Invented tradition war seit je. Die römischen Besatzer besetzten die germanische Wintersonnenwende mit der Geburt Christi, was die Annahme bei den Horden erleichtern und symbolisch dem Hellerwerden der Tage entsprechen sollte. Daher der 24.

Unser Weihnachten verdeckt diese Spuren – mit Wichtelschrott, Geflügelfett und Tannenzweigen. Auch Gans ohne Lametta, Tand ist an der Weihnacht das Wesentliche. Obgleich dem Fest der Feste, das dem Buch der Bücher entsprang, tatsächlich ein wenig die Balance fehlt. Was bei der Präparation beginnt. Vor den Tagen sind nur die Nerven noch blanker als das Konto. Während der Tage erhält man Gelegenheit, alles über Corona zu erfahren, von dem einen Verwandten, der da Bescheid weiß (das Universum hat gesorgt, dass jede Familie mindestens einen davon hat). Danach leidet man sichere dreieinhalb Wochen an postprandialer Müdigkeit, schwer liegt der Teutonenfraß im Magen. Es soll Familien geben, die am 24. Würstchen mit Kartoffelsalat essen. Auch keine Lösung.

Seine Faszination aber ruht gerade darin, dass das Fest überall anders ist und die Familien selbst bestimmen, ob Profanes oder Sakrales dominiert oder beides sich die Waage hält. In »Mein Urgroßvater, die Helden und ich« erzählt James Krüss eine schöne Geschichte darüber. Boy berichtet dem Urgroßvater von einem Schulbuchtext über Weihnachten. Der Obergefreite Manfred Korn liegt 1917 einem algerischen ­Regiment gegenüber, es ist Heiligabend, womit die Heiden nichts anfangen können und tüchtig feuern lassen. Entrückt entschwebt der Held im Gedanken an die Heimat dem Schützengraben und stellt einen Weihnachtsbaum ins Niemandsland, wonach der Feind bewegten Herzens das Feuer einstellt. Der Urgroßvater erzählt Boy die wahre Begebenheit, die diesem Kitsch zugrunde liegt. Nicht Manfred Korn, Alfred Kornitzke war der Name des Mannes, weitab von Beseeltheit wollte er Marzipan backen. Als der Topf mit dem Rosenwasser zerspringt, rast der Bäcker aufs Schlachtfeld: Det reicht mir, Jeschäftsfreunde. Es war die menschliche Geste, nicht weihevolle Christlichkeit, die das Heidenherz erreicht hat.

Im Fest der Liebe kann christliche Agape enthalten sein oder Familienliebe, auch die muss ja – wie die zu Gott, das heißt: zur Welt – hart erarbeitet werden. Dem Wort Familienbande sei ein Beigeschmack von Wahrheit eigen, schrieb Karl Kraus. Das Ritual kann zum Gefäß der Liebe werden, in diesem Fall zum dreifaltigen: Essen, Ambiente, Geschenke. Zeigt mir, wie ihr die Gans bereitet, den Baum schmückt, Geschenke aussucht, und ich sage euch, wer ihr seid.

In der Tat ist Weihnachten diese eine Zeit im Jahr, zu der man gut sein kann, ohne Gutes tun zu müssen. Natürlich ist die Familie die kleinste Zelle der Gesellschaft, aber eben nur 362 Tage im Jahr – was sie von Gesellschaft und Staat scheidet, ist, dass ihre Bindung organisch, vermittels Liebe besteht. Selbst in beständig streitenden Familien gehen die Leute sich vor allem deswegen auf den Sack, weil sie einander eben nicht egal sind. Mit der Familie verhält es sich wie mit der Weltanschauung. Man wird zufällig in eine hineingeboren, sucht sich später eine eigene, wird auch mit der nie ganz glücklich und hat doch die Aufgabe, es zu werden. Und gewiss kennt auch Liebe Grenzen. Es soll schon passiert sein, dass Klänge der falschen Platte in Marco Tschirpkes Gorki-Pastiche erstickt wurden: »Ein Mensch – wie stolz das klingt. Es sei denn, Rolf Zuckowski singt.«

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Feuilleton