»Es gibt keine Mehrheiten für den Ausbau«
Interview: Gitta Düperthal
Das von 65 Initiativen getragene Bündnis »Stopp A 5-Ausbau« wird an diesem Sonntag gegen den zehnspurigen Ausbau der Autobahn im Raum Frankfurt am Main mitten in der Stadt demonstrieren. Ursprünglich war die Demo auf der A 5 geplant, was die Versammlungsbehörde verbot – mit welcher Begründung?
Die A 5 sei die Hauptschlagader Deutschlands; die Autoindustrie das Rückgrat der deutschen Industrie, argumentiert die Behörde. Diese Autobahn für drei Stunden am Sonntag zu sperren, sei unverhältnismäßig. Das ist eine politisch begründete Einschränkung der Versammlungsfreiheit. In Frankfurt gibt es mehrere Autobahnen, wo schon Fahrrad- und andere Demos stattfanden. In Berlin wird auf der heftig umstrittenen A 100 demonstriert.
Es läuft eine politische Auseinandersetzung: zwischen denen, die motorisierten Individualverkehr aufrechterhalten und ausbauen wollen, und denen, die eine solche Verkehrspolitik mit Lärm, Abgasen und Staus bekämpfen. Momentan sind wir noch die Schwächeren. Aber dieses Verhältnis könnte sich umkehren. Wir wollen den Bau stoppen.
Wie mobilisieren Sie für die Kundgebung gegen den Ausbau der A 5 und das Demonstrationsverbot?
In Frankfurt haben wir etwa 30.000 Flyer verteilt. Viele sind entsetzt über diese Pläne: Von Friedberg bis zum Frankfurter Kreuz, über eine Strecke von 30 Kilometern, hätten wir über Jahre eine Großbaustelle. Gärten, Häuser, Fußballplätze, ein Trinkwasserschutzgebiet, ein Vogelschutzgebiet und vieles andere würde geschädigt werden. Das ist völlig irrsinnig.
Das Datum Ihrer Aktion ist mit Bedacht gewählt: Es bezieht sich auf eine Widerstandsaktion von Antifaschisten um Ludwig Gehm, die am 19. Mai 1935 stattfand, also am Montag vor 90 Jahren.
An dem Tag scheiterte damals eine riesige Propagandashow der Nazis zum ersten Reichsautobahnabschnitt Frankfurt–Heidelberg. Vor der feierlichen Eröffnung durch Adolf Hitler hatten Aktivisten des »Internationalen Sozialistischen Kampfbundes« dort antifaschistische Parolen hinterlassen: »Nieder mit Hitler« oder »Hitler ist Krieg«. Die waren dann notdürftig mit Hakenkreuzen überdeckt worden. Doch auch die Lautsprecheranlage, mittels der Hitlers Rede übertragen werden sollte, war sabotiert worden.
Warum ist es Ihnen wichtig, diese Geschichte zu vermitteln?
Man muss sich vorstellen: Als die Pläne für die Reichsautobahn aufkamen, hatte etwa ein Prozent der Bevölkerung ein eigenes Privatauto. Die Nazis planten den Autobahnbau als Propagandacoup und Kapitalanlage für Baukonzerne. Kommuniziert wurde, »der Führer« wolle Arbeitsplätze schaffen. Es war mies bezahlte Zwangsarbeit zu schlechten sozialen Bedingungen. Die Gesundheit der Arbeiter wurde geschädigt. Es kam zu Streiks. Die im Faschismus massiv geförderte Autoindustrie lief nach 1945 wie geschmiert weiter. Entnazifiziert wurde nie.
Auch den Ausbau der A 5 kann man militärisch begründet sehen. Das kürzlich publizierte »Grünbuch zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Krisenfall« beschreibt die Nutzbarmachung von Verkehrswegen für einen fiktiven NATO-Einsatz im Mai 2030.
Das ist keine Phantasie. Bereits 2022 erlaubte das hessische Verkehrsministerium unter dem »grünen« Minister Tarek Al-Wazir die »übermäßige Benutzung von Straßen durch den militärischen Verkehr«. Auch 1935 war klar, dass es um Gegenwehr zum Zweiten Weltkrieg ging. Der Widerstandskreis um Gehm wusste, dass der Autobahnbau auch militärische Bedeutung hat.
Was ist von der Bundesregierung unter Friedrich Merz zu erwarten?
500 Milliarden für Infrastruktur; und weitere 500 Milliarden »Sondervermögen«, ein Betrag für die Militarisierung, der nach oben offen ist. An Geld wird es nicht fehlen. In Frankfurt und Umgebung gibt es keine Mehrheiten für den Ausbau der A 5. Frankfurts Grüne und SPD würden acht Spuren mittragen, aber keine zehn. Die Linke fordert, das sowohl klimapolitisch als auch für die Gesundheit der Menschen in der Region schädliche Projekt zu stoppen.
Hans Christoph Stoodt ist aktiv in der Bürgerinitiative »Es ist zu laut« gegen den Ausbau der A 5 im Raum Frankfurt
Kundgebung: So., ab 12.30 Uhr, Frankfurt am Main, Konstablerwache
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