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Aus: Ausgabe vom 18.12.2025, Seite 2 / Inland
Angriff auf das Verbandsklagerecht

Sollen Bauvorhaben so durchgeboxt werden?

Die Bundesregierung will das Verbandsklagerecht schleifen. Das ist mit EU-Recht nicht vereinbar, sagt Cornelia Nicklas
Interview: Gitta Düperthal
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Für Panzer oder Pkw: Freigabe des 16. Bauabschnitts der A 100 in Berlin (27.8.2025)

Die Bundesregierung beabsichtigt, Infrastrukturprojekte wie den Autobahnbau ins »überragende öffentliche Interesse« zu stellen und das Umweltverbandsklagerecht dagegen einzuschränken. Was genau ist geplant?

Sie will Verfahren generell beschleunigen. Der Referentenentwurf des Infrastrukturzukunftsgesetzes aus dem Verkehrsministerium hat Aus- und Neubau zum Ziel: von Schienen, Wasserstraßen, Bundesstraßen und Autobahnen sowie Rastplätzen für Lkw. Für diese Projekte plant die Bundesregierung, das Bundesnaturschutzrecht abzuschwächen. Sie will ermöglichen, anstelle des Ausgleichs in Form von realen naturschutzrelevanten Ersatzflächen eine Ersatzgeldzahlung zu leisten – die Realkompensation also faktisch abschaffen –, behördliche Prüfungen zurückfahren, um Planungen schneller realisieren zu können, und somit staatliche Kontrolle zurückdrängen. In dringlichen Fällen sollen Verkehrs- und Energievorhaben von der Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen werden können.

»Naturschutz bleibt wichtig, aber er kann jetzt nicht mehr durch endlose Verfahren dringend notwendige Maßnahmen blockieren«, sagte Bundeskanzler Merz. Wie aber soll künftig der Schutz der Umwelt gewährleistet sein? Wird die Deutsche Umwelthilfe nicht mehr klagen können?

Zunächst wollen Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder, wie beschrieben, Umweltstandards abschwächen. Sind die Zulassungsentscheidungen dann getroffen, können im Anschluss Umweltverbände dagegen vor Gericht klagen. Hierzu plant die Bundesregierung, die Verbandsklagerechte zu schwächen. Sie versucht, einen sogenannten Einwendungsausschluss von Argumenten im Klageverfahren wieder einzuführen, die nicht bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht wurden. Vor Jahren wurde dies gestrichen, weil es nicht EU-rechtskonform ist. Sie kann uns Klagerechte nicht aberkennen. Die Aarhus-Konvention und europäisches Recht gewähren uns diese Rechte.

Der Artenschutz soll standardisiert werden. Würde auch das eine Einschränkung bedeuten?

Grundsätzlich könnte es Behörden sogar helfen, das Recht sachgerechter und stringenter anzuwenden – falls die Standardisierungen nicht zum Abschwächen des Artenschutzes führen. Deshalb ist es wichtig, dies mit breitem Sachverstand festzulegen.

Weht unter dieser Bundesregierung ein rauer Wind für Nichtregierungsorganisationen? Nach dem Motto: Zivilgesellschaftliches Engagement stört, wenn wir schnell etwas planen und durchziehen wollen?

Genau das ist die Marschrichtung der Bundesregierung. Vor deren Amtsantritt hatte sich das durch eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag mit 551 Fragen angekündigt, womit Aktivitäten und Gemeinnützigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Frage gestellt wurden. Das war tendenziös. Im Koalitionsvertrag setzte sie dann ihre Duftmarke, trat mit der Absicht an, das Verbandsklagerecht auf europäisches Mindestmaß abzusenken. Obgleich doch jeder, der sich mit der Materie beschäftigt, weiß: Danach hätte man es im Gegenteil ausweiten müssen. Das ergibt sich aus Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs.

NGOs seien ein »Bollwerk gegen autoritäre Kräfte« und ein »Korrektiv zur Lobbyübermacht finanzstarker Konzerne«, konstatiert Lobbycontrol. Klappt das noch, wenn ihre Rechte beschnitten werden?

Unsere Rolle ist genau vor diesem Hintergrund wichtig. Ich kann mir von einer demokratischen Regierung nicht vorstellen, dass sie zivilgesellschaftliches Engagement sowie unsere Klagerechte aushebelt. Denn keine Bundesregierung, die den Rechtsstaat achtet und fördert, kann ungeachtet dessen irgendein »Wünsch dir was«-Programm durchsetzen.

Einen die Klagerechte betreffenden Gesetzentwurf will die Regierung bis 28. Februar 2026 beschließen. Warum ist es dann noch so still in den Reihen der Umweltschützer?

Ist es nicht! Das ist ein essentielles Thema für uns. Schon zum Infrastrukturzukunftsgesetz haben wir uns gemeinsam mit mehreren Umweltschutzverbänden geäußert: in der Fachpresse und in Gesprächen mit Bundestagsabgeordneten. Wir werden unsere Aktivitäten nächstes Jahr weiterführen.

Cornelia Nicklas ist Leiterin des Bereichs Recht bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH)

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