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Aus: Ausgabe vom 23.12.2025, Seite 4 / Inland
Speichern von IP-Adressen

Bescherung für Überwacher

Bundesjustizministerium veröffentlicht Entwurf für neues Gesetz zur Speicherpflicht für IP-Adressen. Innenminister kündigt »Sicherheitsoffensive« an
Von Marc Bebenroth
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Zwei Stühle, eine Meinung: Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) und CSU-Innenminister Alexander Dobrindt (26.11.2025)

Mit der FDP flog die Partei aus dem Bundestag, die sich von der Regierungsbank aus gegen die Ausweitung anlassloser Massenüberwachung gestellt hatte. Wieder SPD-geführt, agiert das Justizressort als Erfüllungsgehilfe des CSU-kontrollierten Innenministeriums. So ist am Montag der Gesetzentwurf zur Speicherpflicht von IP-Adressen aus dem Haus von Justizministerin Stefanie Hubig veröffentlicht worden, der den jüngsten Anlauf zur Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung darstellt. Die Bundesregierung beabsichtigt damit, Internetprovider dazu zu verpflichten, zunächst für die Dauer von drei Monaten lückenlos zu protokollieren, welche Internetadressen sie an ihre Kunden vergeben haben. Üblicherweise vergeben die Unternehmen circa alle 24 Stunden an jeden Kunden eine neue IP-Adresse und speichern dies für interne Vorgänge.

Schon jetzt nutzen Strafverfolgungsbehörden und Anwaltskanzleien gespeicherte IP-Adressen, um Tatverdächtige ausfindig zu machen. Die Delikte reichen vom Verstoß gegen Urheberrechte über »Hass im Netz« bis hin zu »Terrorismus« oder Taten im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt an Minderjährigen. Letztere sind der Lieblingsvorwand für den Ausbau der Massenüberwachung von digitaler Kommunikation. »Täter kommen viel zu oft davon, vor allem bei Kinderpornographie«, behauptete Hubig in einer Mitteilung am Montag.

Das neue Instrument in dem nun vorliegenden Gesetzestext ist die sogenannte Sicherungsanordnung. »Mit ihr sollen Telekommunikationsanbieter anlassbezogen verpflichtet werden können, weitere Verkehrsdaten für drei Monate zu sichern«, teilte das Ministerium dazu mit. Verkehrsdaten »lassen zum Beispiel erkennen, wer mit wem telefoniert, SMS oder E-Mails austauscht«, erklärt die Internetseite der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Hierfür soll die Speicherdauer künftig »um bis zu drei Monate verlängert werden«, wenn eine Richterin oder ein Richter das Ersuchen abnickt. Solche Befugnisse seien laut Justizministerium »auch für das Bundeskriminalamt« vorgesehen.

Außerhalb des Internets will das SPD-geführte Haus die anlasslose Massenüberwachung im Mobilfunknetz ausdehnen. Die Schwelle für die sogenannte Funkzellenabfrage soll von »besonders schweren Straftaten« auf »Straftaten von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung« abgesenkt werden. Damit wäre die Erfassung sämtlicher Mobilgeräte, die zu einem Zeitpunkt in einer Funkzelle eingewählt sind, auch bei Verdacht von beispielsweise gewerbsmäßigem Betrug legal. Mit diesen Informationen lassen sich – je nach Dichte des Funknetzes – genaue Bewegungsprofile erstellen. Für die IP-Adressen-Speicherpflicht gelte das nicht, behauptet die Ministerin wiederholt. »Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile sind ausgeschlossen«, teilte sie am Montag mit. »Die Vertraulichkeit von Kommunikation bleibt strikt gewahrt«, sagte sie gegenüber Bild am Sonntag.

Die geplante »Stärkung der Strafverfolgung« erfolge laut Mitteilung »strikt im Rahmen unserer Verfassung und des Europarechts«. Tatsächlich liegt die geltende Regelung zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung in der BRD auf Eis, seit sie und ähnliche Unterfangen mehrfach höchstrichterlich für nicht mit dem Grundgesetz und dem EU-Recht vereinbar erklärt worden waren. Das hält jemanden wie Hubig oder Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) nicht davon ab, die Wunschliste der Geheimdienste und der Polizeilobby weiter abzuarbeiten.

So kündigte der Innenminister gegenüber dem Handelsblatt vom Montag für das neue Jahr eine »Sicherheitsoffensive gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität und hybride Bedrohungen von außen« an. Neben der Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen zählten dazu die Legalisierung von Gesichtserkennung durch KI-Systeme per biometrischem Internetabgleich von Bilddaten sowie die automatisierte Auswertung von Big-Data-Sammlungen. Der ihm unterstellten Bundespolizei wolle er den Einsatz von Spionagesoftware, sogenannte Staatstrojaner, erlauben, die auf Endgeräte von Zielpersonen heimlich installiert werden und sämtliche Kommunikation mitlesen sollen.

Das wohl gefährlichste Vorhaben dürfte allerdings die von Dobrindt angekündigte Erlaubnis für die »Sicherheitsbehörden« sein, ausländische Serverinfrastrukturen bzw. die IT-Systeme von »Angreifern« lahmzulegen. Statt die IT-Sicherheit zu erhöhen, soll der Staat sich rächen können. Dazu müsste das Zielsystem von deutschen Diensten bereits erfolgreich infiltriert worden sein. Zu Ende gedacht läuft dies auf eine Art digitale Zweitschlagskapazität hinaus, die im Falle eines zum Feind erklärten Staates von diesem als Kriegsakt gewertet werden kann.

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