Paketboten leisten Knochenjob
Von Gudrun Giese
In diesen Tagen unmittelbar vor Weihnachten sind sie fast allgegenwärtig: Paketzusteller, die neben dem üblichen online bestellten Krempel nun auch noch zuhauf Geschenke zu den Kunden bringen müssen. Mehr als 200 Sendungen – die bisweilen mehr als 30 Kilogramm wiegen können – pro Tag sind derzeit normal.
Im Deutschen Bundestag zogen zu Beginn des Monats Mitglieder der Verdi-Betriebsgruppe des Branchenführers DHL mit ihren gelb-roten Shirts die Blicke auf die Besuchertribüne. Auf Einladung der Bundestagsfraktion Die Linke hatten sich dort sechs Beschäftigte eingefunden, um der Debatte über den Antrag »Paketzustellerinnen und Paketzusteller wirksam vor Überlastung und Ausbeutung schützen« beizuwohnen. Enttäuscht stellte der Paketzentrumsarbeiter Abdelaziz Shahin anschließend fest, dass die Abgeordneten von der Praxis des knallharten Jobs keine Ahnung hätten: »Gerade wurde die Rente verhandelt. Die meisten Mitarbeiter haben Schulter, Rücken, Knie – das sind die Krankheiten bei uns. Wie schaffen sie das bis zur Rente?«, sagte Shahin laut dpa.
Eine berechtigte Frage, wie die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von rund 3.000 Beschäftigten im Auftrag von Verdi belegen. Weniger als zehn Prozent der Zusteller können sich demnach vorstellen, ihre Arbeit bis zur Rente unter den derzeitigen Bedingungen auszuüben. Das sei ein absolutes Alarmsignal, befand die stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende Andrea Kocsis: »Schwere körperliche Arbeit und hohe Arbeitsintensität führen zu Stress, Überlastung und gesundheitlichen Risiken.« Erster Schritt zur Verbesserung der Bedingungen müsse die schon seit langem geforderte Senkung des Höchstgewichtes pro Paket auf 20 Kilogramm bei der Ein-Personen-Zustellung sein. »Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht, ihr Versprechen zu halten«, so Kocsis bei der Vorstellung der Befragungsergebnisse bereits Ende November.
Am Rande der Bundestagsdebatte über den Antrag der Linken beschrieben die DHL-Beschäftigten, was die Arbeit besonders erschwert. Täglich würden sie »mittlerweile Möbel transportieren, Waschmaschinen, Kühlschränke«, berichtete der Zusteller und Teamleiter Steve Josch – dabei werde es immer schlimmer. In Häusern ohne Fahrstuhl oder mit Wendeltreppe helfe auch eine Sackkarre nicht, schwere Lasten in obere Stockwerke zu hieven. Die Kundschaft helfe kaum noch, so dass die Zusteller zumeist auf sich allein gestellt blieben.
Neben der körperlichen Belastung nehme auch der psychische Stress zu, so Aris Harkat, Verdi-Sekretär für den Postbereich. Sowohl die Vorgesetzten als auch Teile der Kundschaft machten Druck. »Unser Job ist einfach ein Knochenjob«, sagte er, ebenfalls laut einem dpa-Bericht. Vor dem Wechsel zur Gewerkschaft hat er selbst als Zusteller gearbeitet. Die Bedingungen bei der DHL seien dabei allerdings im Branchenvergleich sogar noch erträglich, denn für die Beschäftigten gelten mit Verdi ausgehandelte Tarifverträge. Andere Unternehmen würden »arbeitsschutztechnischen Missbrauch betreiben«, sagte Harkat. Davon seien insbesondere Beschäftigte in Subunternehmen betroffen.
Bestätigt wird dies durch die Verdi-Befragung der Beschäftigten: Wer in einem Unternehmen ohne Betriebsrat und Tarifvertrag arbeite, habe im Schnitt eine um elf Stunden längere Wochenarbeitszeit und rund 500 Euro weniger Verdienst monatlich als Beschäftigte in tarifgebundenen Anstellungen, hieß es anlässlich der Studienveröffentlichung Ende November.
Gerade bei Subunternehmen gebe es deutliche Hinweise auf Verstöße gegen das Arbeitsrecht, etwa die Höchstarbeitszeitgrenzen. Mehrarbeit werde dort oft nicht vergütet, der Monatslohn zu spät ausgezahlt oder schlimmstenfalls unrechtmäßig einbehalten. Etwa jeder fünfte der Befragten erhält keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und kann keinen Erholungsurlaub nach den gesetzlichen Vorgaben nehmen. Als Folge unbezahlter Mehrarbeit erhielten viele der befragten Zusteller letztlich ein Entgelt unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. »Solche eklatanten Missstände müssen ein Ende haben«, forderte Verdi-Vize Kocsis bei der Präsentation der Befragungsergebnisse. »Es ist höchste Zeit für ein gesetzliches Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche, um prekäre Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und illegale Beschäftigung wirksam zu bekämpfen.«
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