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Aus: Ausgabe vom 23.12.2025, Seite 2 / Inland
Wölfe in der BRD

Warum lehnen Sie niedrigere Abschusshürden ab?

Wölfe reißen Tiere dort, wo Weiden ungeschützt sind und wo kein Herdenschutz gewährleistet ist, erklärt Marie Neuwald
Interview: Max Ongsiek
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Beutekonkurrent für Wildjäger und ökonomisches Risiko für Weidehirten: Europäischer Grauwolf in Bayern (28.12.2024)

Am vergangenen Mittwoch hat die Bundesregierung die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht beschlossen. Ein Referentenentwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und Bundesnaturschutzgesetz liegt seit November 2025 vor. Was ändert sich jetzt für das bislang streng geschützte Tier?

Bisher war der Wolf nicht als jagd­bare Art im Jagdrecht gelistet. In Einzelfällen war es aber möglich, einen Wolf zu töten. Wenn Herdenschutz durch das Tier überwunden wurde, wenn er sich Menschen näherte oder krank war. Das Bundesnaturschutzrecht erlaubte dann die Entnahme. Der Entwurf sieht aber eine Erweiterung der Abschussmöglichkeiten vor. Alles unter dem Deckmantel, dass so die Sicherheit der Weidetiere erhöht wird.

Was kritisieren Sie an dem aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium stammenden Entwurf?

Dass eine generelle Bejagung vorgesehen ist, stellt für uns als Naturschutzbund Deutschland den hauptsächlichen Kritikpunkt dar. Nicht die Entnahme von schadenstiftenden Tieren lehnen wir ab, sondern die Bejagung, die einfach nur auf eine gewisse Zahl oder Quote abzielt. Das ist nicht sinnvoll und reduziert die Risse auch nicht. Dann kritisieren wir, dass der Gesetzentwurf zum Beispiel den »günstigen Erhaltungszustand« und den »ungünstigen Erhaltungszustand« des Wolfes nicht klar voneinander abgrenzt. Es muss deutlich werden, dass, wenn durch Bejagung des Wolfes der günstige Erhaltungszustand gefährdet ist, der Abschuss nicht genehmigt wird. Das kann aber nicht nur auf Ebene der unteren Jagdbehörden, also in den Kreisen bewertet werden, sondern in einer übergeordneten Stelle, die wirklich koordiniert, dass nicht zu viele Wölfe getötet werden.

Warum lehnen Sie eine Absenkung der Abschusshürden ab?

Im Frühjahr wurde der Schutzstatus des Wolfes auf EU-Ebene – in der sogenannten FFH-Richtlinie – von streng geschützt auf geschützt heruntergestuft. Das würde auch in Deutschland im Naturschutzrecht weitläufigere Spielräume für Wolf­abschüsse ermöglichen. Von daher sehen wir die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht nicht als nötig an. Denn auch wenn der Wolfsbestand bejagt wird, werden die Tiere, wenn sie leichte Beute machen können, Beute machen. Herdenschutz wird also weiterhin nötig sein. Ein von uns in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten ist zu dem Schluss gekommen, dass viele Aspekte des Entwurfs, wenn er denn so umgesetzt werden würde, gegen EU-Recht verstoßen werden, vor allem gegen die FFH-Richtlinie.

Der Referentenentwurf verkauft den Abschuss von sogenannten Problemwölfen als wichtige Herdenschutzmaßnahme. Sind die bis jetzt bestehenden Schutzmaßnahmen nicht ausreichend genug?

Doch, in der Regel sind sie das. Wir haben jetzt seit 25 Jahren Wölfe in Deutschland. Gerade in Ländern wie Sachsen, Brandenburg, aber auch Niedersachsen, haben vor allem die Berufsschäfer wirklich viel Erfahrung im Umgang mit dem Wolf. Die haben Herdenschutz in ihre Betriebsabläufe integriert und die meisten haben keine Risse zu verzeichnen. Wölfe reißen Tiere dort, wo Weiden ungeschützt sind, wo kein Herdenschutz gewährleistet ist. In Niedersachsen zum Beispiel lassen sich 80 Prozent der Risse an Schafen vom vergangenen Jahr dem fehlenden Herdenschutz zurechnen.

Die geplante Gesetzänderung soll offenbar erst im Frühjahr 2026 im Bundestag verabschiedet werden. Wie können Naturschutzverbände dagegen vorgehen?

Ich gehe davon aus, dass dieser Entwurf nicht so wieder herauskommt, wie er in den Bundestag reingeht. Da wird es noch Debatten geben. Er wird in den Agrar- und auch in den Umweltausschuss gehen. Der Bundesrat muss zustimmen. Und wir als Nabu versuchen über sachliche Argumente bei den politischen Ansprechpartnern doch noch etwas zu ändern. Auch wenn über das neue Bundesjagdgesetz abgestimmt wird, es später in Kraft tritt, ist die Debatte auf der Länderebene noch nicht vorbei. Denn jedes Bundesland hat ein Landesjagdgesetz und kann vom Bundesrahmen abweichen. Denn die Länder müssen den Wolf nicht in die Liste jagdbarer Arten aufnehmen, sondern können das Tier sogar mit einer ganzjährigen Schonzeit belegen.

Marie Neuwald ist Referentin Wölfe und Beweidung beim Naturschutzbund Deutschland

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