Washington pfeift, Kagame springt
Von Christian Selz, Kapstadt
Das »Wunder« (Donald Trump) des Friedens im Osten der Demokratischen Republik Kongo hielt nicht lange, genauer: Es geschah nie. Noch während der US-Regimechef am 4. Dezember im Beisein der Präsidenten Félix Tshisekedi (DR Kongo) und Paul Kagame (Ruanda) breit grinsend die unterschriebene Friedensvereinbarung in die Kameras hielt, rollte eine Offensive der von Ruanda gesteuerten Miliz »M 23« auf die kongolesische Großstadt Uvira zu. Auf die Einnahme am Mittwoch vor einer Woche folgte verbales Gepolter aus Washington und schließlich am Dienstag die Ankündigung des Rückzugs der Milizionäre, die die Gegend allerdings weiter kontrollieren.
Man werde »Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass gegenüber dem Präsidenten gemachte Versprechen eingehalten werden«, drohte US-Außenminister Marco Rubio am Sonnabend auf X. Ruandas Vorgehen sei eine »klare Verletzung« des Washingtoner Friedensabkommens. In einer Mitteilung seiner Behörde hieß es bereits zuvor: »Ruanda, das die ›M 23‹ weiterhin unterstützt, muss eine weitere Eskalation verhindern.« Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Mike Waltz, warf Kigali vor dem UN-Sicherheitsrat am Freitag vergangener Woche gar vor, die Region »auf einen Weg zu größerer Instabilität und Krieg« zu führen. »Kigali war in die Planung und Ausführung des Kriegs im Osten der DR Kongo eng einbezogen«, erklärte Waltz und plauderte zudem aus, dass Ruandas Armee inzwischen mit 5.000 bis 7.000 regulären Soldaten an der Seite der »M 23«-Miliz im Nachbarland kämpfe. Das würde einer deutlichen Erhöhung des Angriffsheers entsprechen, UN-Experten hatten bisher von 4.000 ruandischen Soldaten gesprochen. Kigali streitet eine eigene Beteiligung am Krieg in der DR Kongo allen Belegen zum Trotz wechselweise ab oder beruft sich auf eigene Sicherheitsinteressen.
»Der Grad der Scheinheiligkeit hat einige hohe Leute im Weißen Haus und im State Department wirklich verärgert«, zitierte Deutsche Welle am Mittwoch den Leiter der mit der Sicherheitslage in der Region befassten Congo Research Group. Inwieweit Kigali mit seiner Offensive tatsächlich unabgesprochen vorgeprescht ist, lässt sich kaum verifizieren. Offensichtlich ist jedoch, dass Washington einen direkten Einfluss auf Ruandas Machthaber und deren Miliz »M 23« hat. Das wird durch die prompte Rückzugsankündigung unterstrichen, die lediglich mit gesichtswahrenden Erklärungen seitens der Angreifer einherging, die wahlweise den Streitkräften der DR Kongo die Schuld zuwiesen (Ruandas Außenministerium) oder Uvira »von Terroristen befreit« haben wollten (»M 23«). Wenn Trump pfeift, springt Kagame, und der »M 23«-Schwanz wedelt.
Eine echte Chance auf Frieden bedeutet das allerdings noch lange nicht. Denn der Rückzug der Stellvertretermiliz ist bisher kaum mehr als eine PR-Aktion. Einem AFP-Bericht vom Donnerstag zufolge, der sich auf kongolesische Behörden in der Provinz Südkivu stützt, haben sich die Milizionäre lediglich auf eine Linie neun Kilometer vor Uvira zurückgezogen. Ein »M 23«-Sprecher sagte der französischen Nachrichtenagentur demnach zudem, dass »Polizei und Soldaten in Zivilkleidung« sowie »Geheimdienste« der Miliz noch immer in Uvira seien. Die bewaffnete Organisation hat bisher auch keine Zusagen gemacht, die Stadt wieder in die Hände der kongolesischen Sicherheitskräfte zu übergeben. Statt dessen bleibt die Grenze zum mit der DR Kongo verbündeten Burundi geschlossen und die Verbindung zur Unterstützung damit unterbrochen. Am Mittwoch rief die »M 23« zudem »Vermittler und andere Partner« auf, »sicherzustellen, dass Uvira vor Gewalt, Racheakten und Wiedermilitarisierung geschützt« werde.
Wie eine solche Truppe aussehen sollte oder wer sie aufstellen könnte, ist allerdings vollkommen unklar, zumal die kongolesische Regierung auf einer Rückgabe ihres gesamten Staatsgebiets beharrt. Erschwert wird die Situation auch dadurch, dass der Friedensprozess in mindestens zwei Teile aufgespalten ist: Mit der »M 23« verhandelt die Regierung der DR Kongo unter Vermittlung Katars im Beisein eines Sondergesandten Trumps in Doha; mit der ruandischen Regierung finden die Gespräche unter direkter Vermittlung der USA statt. Greifbare Erfolge gab es bisher in keinem der Formate, die allerdings eines erreicht haben: Die vorherigen Vermittlungsbemühungen der Staatengemeinschaften des südlichen und östlichen Afrikas, SADC und EAC, wurden ausgestochen, auch die Afrikanische Union ist damit weitgehend aus dem Spiel. Den USA aber, das hat Trump mehr als einmal klargemacht, geht es nicht vorrangig um Frieden, sondern in erster Linie um Zugang zu Rohstoffen. Der blieb trotz des Kriegs durch den florierenden Schmuggel stets gewährleistet und die Grenzstadt Uvira am Tanganjikasee ist dabei von zentraler Bedeutung.
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