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Aus: Ausgabe vom 20.12.2025, Seite 2 / Inland
Kein Einlass für kritische Jüdinnen

Hat Sie das Verhalten des Vereins überrascht?

München: Organisationen geben sich tolerant und antirassistisch, aber sperren kritische Jüdinnen aus, berichtet Shelly Steinberg
Interview: Hendrik Pachinger
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Kein Karnevalsverein: Demonstration des proisraelischen Vereins »München ist bunt« (11.11.2025)

In München sind Gegner der Politik der israelischen Regierung in so manchen sich liberal gebenden Kreisen nicht willkommen. Weshalb haben Sie sich anwaltliche Hilfe gesucht?

Ich hatte mich mit einer Bekannten im Oktober zu einer Veranstaltung von »München ist bunt« und »Aufstehen gegen Rassismus« angemeldet. Es ging damals um einen Bericht der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München, kurz FIRM. In der Ankündigung hieß es, dass die Veranstalter es sich vorbehalten würden, Personen, die rechtsextremen Organisationen oder Parteien nahestehen, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind bzw. durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder anderweitig menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verweigern. Mit der jüdischen Künstlerin Suzanna Treumann bin ich zur Veranstaltung gegangen. Dort wurde uns dann der Zutritt verweigert.

Wie wurde das begründet?

Als ich erwiderte, dass es sich hier um einen Irrtum handeln müsse, wurde dies verneint. Ich habe daraufhin den Vorbehalt vorgelesen und als ich zum Punkt »antisemitisch« kam, wurde gesagt, dass es wohl das sein würde. Ich fragte mehrfach, ob sie mir – einer Jüdin aus Israel – ernsthaft Antisemitismus unterstellen würden. Nach längerem Hin und Her hieß es dann, man würde noch einmal Rücksprache im Saal halten. Nach nur wenigen Minuten kam die Dame vom Einlass wieder raus und meinte, es bleibe bei dem Zutrittsverbot. Ich hätte auf einer »Palästina spricht«-Demo geredet. Dabei habe ich nie auf so einer Demo gesprochen. Suzanna verweigerte man den Einlass aufgrund einer »Kontaktschuld«.

Sie haben sich nach dem Vorfall an die Öffentlichkeit gewandt. Welche Reaktionen gab es?

Ich habe noch vom Veranstaltungsort aus mit einem Mitarbeiter des Bayrischen Rundfunks telefoniert und ihm die Situation geschildert. Der meinte, er würde das auf jeden Fall in der nächsten Redaktionssitzung besprechen, hat mir jedoch signalisiert, dass es wohl zu keiner Berichterstattung kommen würde, da es einige »Lobbygruppen« geben würde, die in den Redaktionen eine gewichtige Stimme haben. Von den Mainstreammedien wurde nichts über den Vorfall berichtet.

Sind die Veranstalter nach dem Vorfall auf Sie zukommen?

Im Gegenteil. Ungefähr zwei Wochen später gab es eine weitere Veranstaltung zu dem FIRM-Bericht – diesmal von FIRM selbst. Auch hier habe ich mich online angemeldet und erneut eine E-Mail erhalten, man würde mir den Einlass verweigern. Diesmal wurde als Begründung angeführt, ich hätte Foto- und Videomaterial zu dem Vorfall am 27. Oktober veröffentlicht – auch diese Unterstellung ist faktisch falsch. Aber auch nach diesem Vorfall hielten es die Veranstalter nicht für notwendig, Kontakt mit mir aufzunehmen.

Womit wir zu Ihrem Anwalt kommen.

Er prüft die Sache nun, da es offensichtlich ist, dass die genannten Gründe für meinen Ausschluss von solchen Veranstaltungen nur vorgeschoben sind. Diese Veranstalter treten mit dem Slogan »Juden schützen« auf. Doch ihnen geht es um eine proisraelische Haltung. Im Grunde haben die Veranstalter sich hier selbst entlarvt. Sie treten immer wieder mit widerlichen, rassistischen Bannern provokativ bei propalästinensischen Demonstrationen und Kundgebungen in Erscheinung. Für ihren antipalästinensischen Rassismus missbrauchen sie die Juden, um sich als vermeintlich moralisch überlegen gerieren zu können.

Hat Sie das Verhalten von »München ist bunt« überrascht?

In keiner Weise. Der israelische Dirigent Lahav Shani, ein dezidierter Unterstützer der israelischen Politik und des Genozids in Gaza, hatte nach unserem Vorfall ein Konzert gegeben. Die Palästina-Solidarität rief zu einer Demo auf. »München ist bunt« wiederum hatte zu einer Gegendemo unter dem Titel »Kein Boykott gegen Juden« aufgerufen. Ich sehe in meinem Ausschluss von deren Veranstaltungen aber etwas sehr Positives. Endlich haben sie ihr wahres Gesicht gezeigt. Auch dass sie eine politische Agenda verfolgen und dafür ihre Organisationsstrukturen missbrauchen, lässt sich nicht mehr leugnen. Dieser Verein ist ein Handlanger der Münchner Stadtpolitik: Die erste Vorsitzende, Micky Wenngatz, ist SPD-Stadträtin. Der zweite Bürgermeister Münchens, Dominik Krause, ist ebenfalls im Vorstand des Vereins und bekennender Antideutscher.

Shelly Steinberg ist Mitglied der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München (JPDG)

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