Vor Gericht wegen Bundeswehr-Kritik
Von Philip Tassev
Die Bundeswehr entsendet »Jugendoffiziere« in die Schulen, um dort das Image der Armee zu verbessern und den Standpunkt des Militärs in bestimmten politischen Fragen wie etwa dem Ukraine-Krieg zu vertreten. Wer sich dem entgegenstellt, wird schon mal vor Gericht gezerrt. So geschehen dem ehemaligen Oberstufenschüler Bentik S. aus Freiburg, den das Amtsgericht Freiburg am Donnerstag wegen »Beleidigung« zu 15 »Sozialstunden« verurteilt hat.
Im Februar 2025 war zum wiederholten Male einer dieser Propagandaoffiziere an Bentiks damalige Schule, das Freiburger Angell-Gymnasium, eingeladen, um den Schülern zu »helfen«, ein »angemessenes Bild von der Rolle der Bundeswehr als demokratisch legitimierte Parlamentsarmee« zu entwickeln, wie das Verteidigungsministerium es im Oktober gegenüber tagesschau.de ausdrückte. In der Schülerzeitung des Gymnasiums wurde daraufhin zum Protest aufgerufen. Zwar sei der Auftritt des Offiziers störungsfrei verlaufen, wie Bentik Ende Oktober im Interview mit perspektive-online sagte, doch zwei Bildmontagen, sogenannte Memes, die später von einem Social-Media-Konto der Schülerzeitung verbreitet wurden, passten dem »Jugendoffizier« offenbar überhaupt nicht. Er zeigte den jetzt 19jährigen wegen »Beleidigung« an.
Die beiden Bilder basieren auf Aufnahmen vom Vortrag des Offiziers im Klassenraum, wurden jedoch bearbeitet, um sowohl gegen Kriegsvorbereitung als auch die Nähe von Militärs zu faschistischen Ideologien zu polemisieren. Während die erste Montage dem Offizier die Frage »Also Kinder, wer von euch würde gern an der Ostfront sterben?« in den Mund legt, zeigt das zweite Bild, wie der Soldat vor der Klasse einen Anruf von »SS-Siggi« bekommt, dazu der fiktive Satz: »Oh, da muss ich kurz rangehen.« Das bezieht sich auf Siegfried Borchardt, einen bekannten Faschisten aus NRW, der bis zu seinem Tod 2021 als einer der Anführer der Dortmunder Neonaziszene galt. Die Bildmontage unterstelle dem Offizier nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Freiburg »persönliche Verbindungen« zur SS sowie eine »verfassungswidrige, menschenverachtende Grundeinstellung«.
Bentik hält die Bilder nicht für beleidigend, wie er Mitte November dem SWR sagte, sondern versteht sie als zulässigen Protest gegen die Bundeswehr, die seiner Meinung nach nichts in Schulen zu suchen hat. Dennoch habe er einige Wochen später eine polizeiliche Vorladung erhalten, führte er gegenüber perspektive-online aus. Anschließende Akteneinsicht habe sogar gezeigt, dass versucht wurde, den Standort des Handys zu ermitteln, von dem aus die bearbeiteten Bilder im Internet verbreitet wurden. Zudem habe sich die Bundeswehr auf den Besuch an Angell-Gymnasium »deutlich intensiver vorbereitet« als erwartet. Die Angelegenheit sei den Akten zufolge als »mögliche Störaktion« sogar an eine Abteilung »Mil Sich« (Militärische Sicherheit), hinter der möglicherweise der Militärgeheimdienst MAD oder die Militärpolizei steht, weitergeleitet worden.
Des weiteren seien dem »Jugendoffzier« Handlungsempfehlungen gegeben worden, wie etwa das Dienstfahrzeug nicht auf dem Schulgelände zu parken. Bentik schloss daraus im Interview, dass es der Bundeswehr offenbar sehr wichtig sei, Störaktionen an Schulen zu vermeiden.
Eine Sprecherin der Freiburger Ortsgruppe der sozialistischen Internationalen Jugend, in der Bentik organisiert ist, erklärte nach dem Prozess gegenüber jW, ihre Organisation habe heute vor Gericht klargemacht, dass sie sich von »Einschüchterungsversuchen nicht unterkriegen lassen« und kündigte an: »Wir bleiben aktiv gegen Militarisierung und Kriegspropaganda, ob auf der Straße, in unseren Schulen oder mit Memes!«
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
Kay Nietfeld/dpa21.11.2025Militär greift nach den Sternen
UPI Photo/IMAGO08.01.2025Signal an Kriegsverbrecher
Michael Gottschalk/photothek/imago08.02.2023Auf Werbefeldzug
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Ist bei den Kürzungen das letzte Wort gesprochen?
vom 19.12.2025 -
Wann kommt das neue Dokumentationszentrum?
vom 19.12.2025 -
Abhören und abschießen
vom 19.12.2025 -
SEZ-Retter ziehen vor Gericht
vom 19.12.2025 -
Rotstiftpolitik unter Protest
vom 19.12.2025