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Aus: Ausgabe vom 16.12.2025, Seite 10 / Feuilleton
Ausstellung

Jeder muss sich entscheiden

»Every Artist Must Take Sides«: Eine Ausstellung zum politischen und künstlerischen Wirken von Eslanda und Paul Robeson
Von Matthias Reichelt
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patricia kaersenhout: Eslanda Robeson. 2025, Digitaldruck auf Baumwolle, Futtersäcke (u. a.) (119 × 125 cm)

Als von Bergbauunternehmen gedungene Schläger und Polizisten Anfang der 1930er in Kentucky den brutalen »Harlan County War« gegen die streikenden Arbeiter begannen, schrieb Florence Reece den Song »Which Side Are You On«. Sie war selbst Frau eines Bergmanns. Der schwarze Schauspieler, Sänger, Jurist, Sportler und kommunistische Aktivist Paul Leroy Bustill Robeson (1898–1976) wendete die Frage zum Appell: »Every Artist Must Take Sides.« Mit Blick auf den Spanischen Bürgerkrieg formulierte er 1937: »Jeder Künstler, jeder Wissenschaftler, jeder Schriftsteller muss sich jetzt entscheiden, wo er steht. Er hat keine Alternative. Der Künstler muss Partei ergreifen. Er muss sich entscheiden, ob er für die Freiheit oder für die Sklavenhalter kämpfen will.«

Ihm und seiner Frau Eslanda Goode Robeson (1895–1965) widmet die Akademie der Künste Berlin derzeit eine bemerkenswerte Ausstellung. Die vielen hierfür verwendeten Tonaufnahmen, Filme und Dokumente stammen aus den Beständen des 1965 an der Akademie der Künste der DDR gegründeten Paul-Robeson-Archivs. Eslanda Robeson stammte aus einer bürgerlichen Familie und studierte Chemie an der Columbia University in New York City. Sie war als Histologin in leitender Stellung am dortigen Universitätskrankenhaus tätig. Ende der 1920er Jahre, als das Paar nach London übersiedelte, erforschte sie mit anthropologischem und journalistischem Interesse Afrika und China, arbeitete aber zugleich auch als Managerin für ihren Mann, der als Sänger und Schauspieler international Karriere machte. Das Paar engagierte sich politisch und der weltgewandte schwarze Soziologe, Historiker und Bürgerrechtsaktivist W. E. B. Du Bois bezeichnete Paul Robeson als »zweifelsfrei bekanntesten Amerikaner in der Welt, der nur im eigenen Land ohne Anerkennung und Rechte ist«.

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Demonstration in Manchester, um 1956

Ab Mitte der 1930er Jahre wurde New York wieder zum Lebensmittelpunkt der Robesons, nun wurden sie aufgrund ihrer politischen Aktivitäten vom FBI beobachtet. Die Gründe ihrer fortwährenden Überwachung, Verfolgung und Drangsalierungen waren in den folgenden beiden Jahrzehnten nicht nur rassistischer, sondern auch zunehmend antikommunistischer Natur. Das Paar engagierte sich nicht nur für die Bürgerrechtsbewegung, sondern trat auch bei Gewerkschaften und Streikveranstaltungen auf. Gus Hall, der Vorsitzende der KP USA, erklärte 1998 anlässlich dessen 100. Geburtstags, dass Paul Robeson geheimes Mitglied der Partei gewesen war.

Am 27. August 1949 attakierten Hunderte Anhänger des Ku Klux Klan ein Open-Air-Konzert von Pete Seeger und Paul Robeson für die Bürgerrechtsbewegung in Peeksville, New York. Vor allem wegen seiner Rede auf dem Friedenskongress in Paris 1949, in der Robeson erklärt hatte, dass er sich nie an einem Krieg gegen die Sowjetunion beteiligen würde, erhielt er in den USA 1950 ein Reise- und Auftrittsverbot. Deshalb gab er am 18. Mai 1952, noch auf US-amerikanischem Boden, direkt an der kanadischen Grenze im Peace Arch Park in Blaine, Washington, ein Freiluftkonzert für 25.000 Zuschauer auf beiden Seiten.

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Dread Scott: Slave Rebellion Reenactment. 2020 (Still 1). Performance Fotografie (54,5 × 4 cm)

In der Ausstellung der Akademie werden an sechs Stationen mit Vitrinen, Zeitungsartikeln sowie Audio- und Filmdokumenten verschiedene Seiten der Aktivitäten des Paars erhellt. Dabei wird ein Schwerpunkt auf Paul Robsons künstlerische Karriere gelegt. Leider fehlen Ausschnitte aus Filmen, in denen er mitspielte.

Den archivalischen Stücken werden zwölf Kunstwerke gegenübergestellt, die teils eigens für die Schau in Auftrag gegeben wurden. Hervorzuheben ist die sinnfällige Arbeit der aus Mosambik stammenden und in Portugal lebenden Ângela Ferreira. Sie zeigt in einer Skulptur, die einer ostdeutschen Druckmaschine nachempfunden ist, eine Filmdokumentation über die DDR-Solidaritätskampagne für die in den USA inhaftierte Angela Davis.

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Sonya Clarke: We Are. 2023 (Filmstill)

Eine Fotoserie zeigt das Reenactment des Sklavenaufstands an der German Coast von 1811 des schwarzen US-Künstlers Dread Scott mit über 350 Protagonisten. Er choreographierte 2019 den Aufstand als Marsch von den ehemaligen Zuckerrohrplantagen bis ins Stadtzentrum von New Orleans. Scott war bereits 1989 wegen vermeintlicher Verunglimpfung der Nationalflagge im Rahmen eines Kunstprojektes ins Fadenkreuz der Behörden geraten. James Gregory Atkinson hat derweil für drei Tafeln unterschiedliche Zeugnisse der Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit schwarzer Menschen, über Rassismus und Kolonialzeit in Deutschland zusammengetragen.

Das ukrainische Künstlerpaar Lia Dostlieva und Andrii Dostliev setzt sich in seiner Videoarbeit ganz im Einklang mit der herrschenden Politik von Deutschland und EU »kritisch mit den imperialen Narrativen der Sowjetunion und Russlands« auseinander und wirft den Robesons vor, »an der Sowjetunion als wichtigem Gegenpol zu rassistischer Segregation und kolonialer Unterdrückung« festgehalten zu haben. Warum wohl?

Bei der Kontextualisierung und Kommentierung des Materials in der begleitenden kostenlosen Publikation finden sich offenkundig identitätspolitisch inspirierte Anmerkungen, die zu völlig falschen Schlussfolgerungen führen, etwa wenn die Sprache der Zeit kommentiert wird. Denn das Wort »negro« galt damals ebenso wie das deutsche »Neger« keineswegs als rassistisch, sondern wurde auch von afroamerikanischen und linken Intellektuellen benutzt. Beide Begriffe werden erst in jüngerer Zeit abgelehnt. Hier zu differenzieren, wäre eine notwendige Aufgabe der Kuratorinnen und Kuratoren gewesen.

»Every Artist Must Take Sides – Resonanzen von Eslanda und Paul Robeson«, Akademie der Künste Berlin, Hanseatenweg 10, bis 25. Januar 2026

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