Gegründet 1947 Sa. / So., 29. / 30. November 2025, Nr. 278
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 29.11.2025, Seite 2 / Ausland
Weg in die Kriegswirtschaft

Warum ist das neue Rüstungsprogramm illegal?

Die EU schafft neue Mechanismen für den Zwang zur Militärproduktion und erhöht die Kriegsgefahr, warnt Özlem Demirel
Interview: Max Ongsiek
imago832048944.jpg
Rüstungsmessen wie die »International Defence Industry Exhibition« im polnischen Kielce zeigen, wieviel Geld europäische Rüstungskonzerne mit Krieg verdienen können (1.10.2025)

Das EU-Parlament hat am Dienstag das 1,5 Milliarden Euro starke Rüstungsindustrieprogramm EDIP beschlossen. In einer Mitteilung dazu schreiben Sie, dass die europäischen Rüstungskonzerne seit diesem Tag bereits »Weihnachten feiern«. Welche Fraktionen haben denn den Weihnachtsmann gegeben?

Im Grunde alle, bis auf die Linken. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments fokussieren sich schon seit längerem sehr stark auf den Ausbau der EU-Militärunion, die sie Verteidigungsunion nennen.

Auf welche »Geschenke« dürfen sich europäische Rüstungskonzerne freuen?

Mit dem ab 2026 in Kraft tretenden EDIP-Programm wird ein Übergang zur Kriegswirtschaft hergestellt. Dabei geht es weniger um die genannten 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt, denn die Mitgliedstaaten können noch viel mehr Geld zuschießen. Es geht um die Mechanismen, die mit EDIP geschaffen werden. So sollen EU-Kommission und Mitgliedstaaten Unternehmen, auch zivile, zur schnelleren Rüstungsproduktion verpflichten können. Damit einhergehen wird eine Absenkung vieler Umwelt- und Arbeitnehmerstandards.

Nach Angaben der EU-Kommission stammen seit Beginn des Kriegs in der Ukraine 78 Prozent aller neuen europäischen Rüstungsgüter aus Nicht-EU-Ländern – überwiegend aus den USA, mit 63 Prozent. Welche Konzerne werden jetzt besonders profitieren?

Es ist davon auszugehen, dass dieser Prozess die starken Rüstungsunternehmen, die wir in der EU ohnehin schon haben, noch weiter stärken wird – zum Beispiel Rheinmetall, Airbus und Leonardo. Mit dem EDIP wird nicht nur die Rüstungsindustrie gefördert, sondern auch gleich der Absatzmarkt, nämlich die EU, sichergestellt. Es ist also von einer stärkeren Monopolisierung der Rüstungsindustrie auszugehen.

Aus Ihrer Sicht ist dieses Rüstungsprogramm illegal. Warum?

Das Programm verstößt gegen Artikel 41.2 des EU-Vertrags. Der besagt ganz klar, dass aus dem gemeinsamen Haushalt keine Maßnahmen mit militärischen Bezügen gefördert werden dürfen. Tatsächlich wurde der Artikel schon vor dem Ukraine-Krieg missachtet, denn Rüstungshilfen wurden von der EU einfach als aktive Industriepolitik deklariert. Direkte Militäreinsätze und Waffenlieferungen allerdings werden über einen Schattenhaushalt des EU-Rates – Stichwort: Friedensfazilität – finanziert.

Ein Teil des Geldes ist den Angaben zufolge auch für die Ukraine bestimmt. Um welche Projekte geht es konkret?

Von den 1,5 Milliarden Euro sind 300 Millionen Euro unmittelbar für den Ausbau der Rüstungsindustrie in der Ukraine vorgesehen. Im Grunde wird das Land jetzt schon in die EU-Verteidigungsarchitektur integriert. Dass der deutsche Rheinmetall-Konzern zum Beispiel in der Ukraine Produktionsstätten aufbauen möchte, ist ja hinlänglich bekannt. Auf der einen Seite haben die NATO und die Europäische Union die Ukraine während der Verhandlungen 2022 in Istanbul ermuntert, weiterzukämpfen. Auf der anderen Seite beobachten wir, wie jetzt die Ressourcen des Landes ausverkauft werden und die Ukraine als Billiglohnproduktionsland für EU-Konzerne missbraucht werden soll. Das ist sehr zynisch!

Sie schreiben, EDIP beinhalte »intransparente und unkontrollierbare Bestimmungen«, die die EU in eine Militärunion umgestalten sollen. Wie will die europäische Linke diese Militarisierung bekämpfen, wenn der Komplex kaum durchschaubar ist?

Die Strukturen der EU sind nicht nur intransparent, sondern auch schlecht kontrollierbar. Im Vergleich zum Bundestag ist das Europaparlament schwächer, vor allem bei den Kontrollfunktionen. Und es ist viel zu weit weg von den Menschen vor Ort. Deshalb braucht es Aufklärung. Es ist gefährlich, wenn elementar wichtige Aufgabenbereiche an die Europäische Union übergeben werden. Wie man die Militarisierung der EU dann verhindern kann? Mit einer klaren antimilitaristischen Haltung der Bevölkerung und aktiven Protesten der Menschen in der EU. Zwar behauptet die Union, die Verabschiedung des EDIP-Programms erhöhe die europäische Sicherheit. In Wirklichkeit aber erhöht es die Kriegsgefahr, denn die EU macht sich kriegsbereit.

Özlem Alev Demirel ist außen- und friedenspolitische Sprecherin der Partei Die Linke im EU-Parlament

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

Regio: