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Aus: Ausgabe vom 26.11.2025, Seite 4 / Inland
Palästinasolidarität in Deutschland

Labor für Kriminalisierung

Ein neuer Bericht dokumentiert die Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung in der BRD
Von Jakob Reimann
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Auf Kamera: Polizeigewalt während der Demonstration zum zweiten Jahrestag des 7. Oktobers in Berlin (7.10.2025)

Während Israel in Gaza eine Vernichtungskampagne führt, richtet der deutsche Staat seinen Repressionsapparat nach innen. Wer sich mit den Opfern solidarisiert oder die deutsche Komplizenschaft kritisiert, wird überwacht, eingeschüchtert und kriminalisiert. Ein neuer Bericht des Amsterdamer Transnational Institute (TNI), der an diesem Mittwoch erscheinen soll und junge Welt vorab vorliegt, beschreibt das staatliche Vorgehen gegen die Palästinabewegung in der BRD im Kontext einer »autoritären Verschiebung«. Im Report werden besonders brutale Fälle von Polizeigewalt dokumentiert, darunter das Schleifen eines 68jährigen Rollstuhlfahrers über Asphalt sowie Übergriffe auf Kinder. Im September 2024 ging beispielsweise ein Video aus Berlin durch verschiedene Social-Media-Plattformen, das zeigt, wie mehrere Polizisten in Kampfmontur einen zehnjährigen Jungen verfolgen und festnehmen.

Der Bericht zeichnet ein Bild systematischer Einsätze von Schlägen, Würge- und Schmerzgriffen sowie Pfefferspray gegen Demonstranten. Ganze Straßenzüge werden umzingelt und Personengruppen über Stunden festgehalten, Kundgebungen brutal geräumt oder im Vorfeld verboten. Er zeigt systematisch, wie politischer Druck, Polizeigewalt, Ausländerrecht, die Aussagen von Antisemitismusbeauftragten des Bundes und der Länder, Kampagnen rechter Medien und Kulturinstitutionen zusammenspielen, um die Solidarität mit Palästina zu delegitimieren. Der Report stützt sich auf Interviews, juristische Analysen, Medienauswertungen und eine Chronologie staatlicher Eingriffe.

Die Repression trifft vor allem die arabische und muslimische Bevölkerung, linke migrantische Gruppen sowie jüdische Antizionisten. »Es gibt einen sehr ausgeprägten antipalästinensischen Rassismus und Hass innerhalb der deutschen politischen Elite«, zitiert TNI die Journalistin Hebh Jamal. »Nach dem 7. Oktober wurde er einfach noch weiter ermutigt und bestärkt«, heißt es weiter.

Oft richten sich die staatlichen Angriffe gegen linke Jüdinnen und Juden. Allein die deutsch-israelische Aktivistin Iris Hefets vom Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« wurde seit Oktober 2023 dreimal festgenommen, weil sie an friedlichen Demonstrationen teilnahm. Im November 2023 hatte man sie wegen eines Schilds mit der Aufschrift »Als Jüdin und Israelin: Stoppt den Genozid in Gaza« der »Volksverhetzung« beschuldigt. Die Anklage wurde später fallengelassen.

»Alle behaupten, dich schützen zu wollen«, zitieren die Verfasser die Aktivistin Udi Raz, Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme, die ebenfalls mehrfach auf Demonstrationen festgenommen wurde, »indem sie dich zum Schweigen bringen, zusammenschlagen und alles tun, damit du dich im öffentlichen Raum nicht sicher fühlst«. Das geschehe im Namen des Kampfes gegen Antisemitismus. Laut Recherchen der Journalistin Emily Dische-Becker waren bei einem Drittel der Veranstaltungen, die wegen vermeintlichen Antisemitismus abgesagt wurden, jüdische Menschen betroffen. Da die aber nur rund 0,3 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, seien sie überproportional häufig Opfer sogenannter Cancel Culture geworden.

»Deutschlands Unterstützung für Israels Apartheidregime sowie für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Genozid in Gaza«, schließt der Bericht, »schlägt im Innern in repressive Politik, Massenüberwachung, Polizeigewalt und eine drastische Verengung des Raums für freie Meinungsäußerung um«. Das Land sei zu einem »Labor für die Kriminalisierung von Palästina-Solidarität geworden«. Aber trotz staatlicher Einschüchterung und Gewalt gehen die Proteste weiter.

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