Schleppen bis zum Umfallen
Von Gudrun Giese
Miese Arbeitsbedingungen sind in Dienstleistungsberufen an der Tagesordnung. Das gilt auch für die Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP), wie eine von der Gewerkschaft Verdi initiierte Beschäftigtenbefragung belegt. Knapp 3.000 Paketzusteller und andere Beschäftigte beteiligten sich an der Umfrage, die die Gewerkschaft beim Beratungsunternehmen Input Consulting in Auftrag gegeben hatte.
Zu den Kernerkenntnissen gehört die starke Arbeitsbelastung und -unzufriedenheit der KEP-Beschäftigten. Der anhand des Fragebogens zum DGB-Index »Gute Arbeit« ermittelte Durchschnittswert von 40 Punkten liegt deutlich hinter der Arbeitsqualitätsbewertung in der Gesamtwirtschaft, die mit 65 von 100 Punkten bewertet wird, und weist gemäß der Vergleichstabelle »schlechte« Arbeitsstellen aus. »Die Arbeit in der KEP-Branche ist außerordentlich wichtig für Wirtschaft und Verbraucher«, erklärte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis bei der Ergebnispräsentation in Berlin am Dienstag. Wichtige Teile der Wirtschaft hingen an der Paketbranche. Doch gerade dort seien die Arbeitsbedingungen sehr oft schlecht und müssten ebenso deutlich verbessert wie die Löhne erhöht werden.
Insbesondere seit der Coronapandemie ist der Kurier-, Express- und Paketmarkt stark gewachsen, heißt es gleich zu Beginn des Papiers. Im Verhältnis zu diesem erheblichen Zuwachs habe es parallel nur einen geringen Anstieg der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter in der Branche gegeben, was auf eine hohe Arbeitsverdichtung hindeute. Außerdem sei die Paketbranche stark konzentriert, mit wenigen großen Anbietern, die wiederum zunehmend auf kleine Subunternehmen mit wenigen Beschäftigten für die Zustellung sowie auf Leiharbeit setzten. Gerade diese Ausgliederung der Stellen bedinge prekäre Arbeitsbedingungen und teils illegale Praktiken. »Beide Merkmale – das Wachstum und die Branchenstruktur – haben Folgen für die Arbeitsbedingungen«, heißt es weiter.
Passend dazu berichtete am Montag ein Zusteller im WDR über seine Arbeitsbedingungen mit einer Tagesschicht von an die zehn Stunden, in denen er bis zu 300 Pakete ausliefern müsse. Etwa drei Minuten gebe sein Chef, seinerseits Subunternehmer eines großen Lieferdienstes, ihm pro Auslieferung. Doch es dauere oft viel länger, weil er manchmal auf Kunden warten müsse oder in einem Hochhaus nach der richtigen Wohnung suche. Obendrein stelle ihm das Unternehmen nicht einmal täglich einen Lieferwagen zur Verfügung, so dass er manchmal mit dem Privatauto die Pakete befördere. Im Auftrag des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Karl-Josef Laumann (CDU) waren zwischen Mai und August 2025 landesweit Zustellfirmen kontrolliert und 225 Paketzusteller befragt worden. Bei den 54 untersuchten Subunternehmen stellten die Kontrolleure zum Teil gravierende Mängel beim Arbeitsschutz fest. Der Minister sprach gegenüber dem Sender von »einem strukturellen Problem«.
Das deckt sich mit den Ergebnissen der Verdi-Studie. Die Befragung hatte unter anderem ergeben, dass sich weniger als zehn Prozent der Zusteller vorstellen können, ihre Arbeit unter den aktuellen Bedingungen bis zum Rentenalter auszuüben. Das sei ein absolutes Alarmsignal, konstatierte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Kocsis. Aus schwerer körperlicher Arbeit und hoher Intensität resultierten Stress, Überlastung und gesundheitliche Belastungen. »Als ersten Schritt zur Besserung brauchen wir endlich die gesetzliche 20-Kilo-Grenze für Pakete in der Ein-Personen-Zustellung. Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht, ihr Versprechen zu halten.« Während die Bedingungen und die Bezahlung in tarifgebundenen Firmen mit Betriebsräten deutlich besser ausfielen, seien vor allem Subunternehmen bekannt für Arbeitsrechtsverstöße wie das Überschreiten der Höchstarbeitszeitgrenze, Nichtvergütung von Mehrarbeit und zu spät gezahlte Löhne. Deshalb, so Kocsis, sei es »höchste Zeit für ein gesetzliches Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche, um prekäre Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und illegale Beschäftigung wirksam zu bekämpfen«.
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