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Aus: Ausgabe vom 25.11.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
EU-USA-Zollverhandlungen

Verbündete Rivalen

Im Zollkonflikt zwischen EU und den USA fordern letztere nun, dass erstere ihre digitalen Märkte dereguliert
Von Niki Uhlmann
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Nach wie vor uneins: Greer (links), Lutnick, Rasmussen und Šefčovič (Brüssel, 24.11.2025)

Da die Freundschaft im Kapitalismus beim Geld aufhört, sind selbst Verbündete Rivalen. So auch die EU und die USA, die mit Russland und China zwar gemeinsame Feinde haben, sich aber alles andere als grün sind, etwa beim Außenhandel. Diesen zu verhandeln, haben der US-Handelsminister Howard Lutnick und der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer am Montag Brüssel besucht und dort mit den zu einer Sitzung des Rats für Auswärtige Angelegenheiten versammelten Handelsministern und Maroš Šefčovič, dem zuständigen EU-Kommissar, Mittag gegessen.

Bevor transatlantisch gespeist wurde, beriet man intern über den Entwurf des EU-Haushalts 2026. In seiner jetzigen Form wollen ihm Finnland, die Niederlande, Österreich und Schweden nicht zustimmen. Die »erheblichen Erhöhungen der Verwaltungsausgaben sowie Personalaufstockungen« und der »übermäßige Gebrauch von besonderen Instrumenten«, die eigentlich »nur für tatsächlich unvorhergesehene Umstände« vorgesehen seien, gingen mit dem Konsolidierungsdruck der »meisten nationalen Haushalte« und »dem Grundsatz einer umsichtigen Haushaltsplanung« nicht überein, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Eigene Kritik meldete Ungarn an: »Die Einrichtung oder Finanzierung neuer Instrumente der Union, die militärisch zum Krieg in der Ukraine beitragen und die Gefahr bergen, die laufenden Friedensbemühungen zu untergraben«, werde es nicht billigen. Diese innere Rivalität ist freilich keine gute Voraussetzung, um mit den Gästen zu verhandeln.

Um so wichtiger sind diplomatische Gesten. Šefčovič werde die Gäste mit einigen Produkten aus der EU begrüßen, darunter Alkohol und Nudeln, die Brüssel gern von den Zöllen verschont wüsste, meldete Euractiv vorab. In der letzten Verhandlungsrunde hat sich die EU nämlich ziemlich devot unterbuttern lassen. Im »Abkommen über gegenseitigen, fairen und ausgewogenen Handel« vom vergangenen Juli hat die EU zugesagt, »alle Zölle auf US-Industriegüter abzuschaffen« und bestimmten Produkten wie verarbeiteten Lebensmitteln »bevorzugten Marktzugang zu gewähren«. Im Gegenzug legten die USA für Güter aus der EU mit wenigen Ausnahmen einen pauschalen Zoll von 15 Prozent fest. Seit dem »Liberation Day« im April versucht die US-Regierung, ihre negativen Außenhandelsbilanzen mit erpresserischen Zöllen zu bekämpfen, wobei sie wie auch in diesem Fall meist am längeren Hebel sitzt. »Das ist nicht das Ende – es ist der Anfang«, kommentierte Šefčovič damals.

Maßgebendes Ärgernis der EU sind seitdem höhere sektorale Zusatzzölle, die die USA etwa auf Stahl-, Aluminium- und bestimmte Kupferprodukte (50 Prozent) erheben, zu denen sie viele Güter vom Motorrad bis zum Kühlschrank zählt. Umgekehrt empörten sich die Amis darüber, dass die Zugeständnisse der EU nicht sofort umgesetzt werden können, sondern im üblichen langatmigen Prozess mit allen Mitgliedstaaten abgestimmt werden müssen. »Wir befinden uns in einer heiklen Phase«, klagte ein namentlich nicht genannter EU-Diplomat gegenüber Reuters: »Die USA suchen nach Gründen, um die EU zu kritisieren, während wir versuchen, sie dazu zu bewegen, sich mit Stahl und anderen ungelösten Fragen zu befassen.« Unter Offiziellen mache sich demnach die Sorge breit, dass das Abkommen scheitern könnte. Dann wäre die EU wieder der vollen Härte reziproker Zölle ausgesetzt.

Lutnick nutzte den Montag vormittag, um EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen zu treffen, und teilte der Presse nach dem Mittagessen die neuesten Forderungen der USA mit: Ein »cooles Stahl- und Aluminiumabkommen« sei daran geknüpft, dass die EU ihre Digitalgesetzgebung lockert. Betroffen seien von dieser vor allem US-amerikanische Technologiekonzerne. »Das müssen wir streichen«, so Lutnick. Dann würden US-Konzerne obendrein »Hunderte Millionen Dollar« in der EU investieren. »Wir haben unser Bestes gegeben, zu erklären, dass unsere Gesetzgebung US-amerikanische Unternehmen nicht benachteiligt und darauf nicht abzielt«, nahm Šefčovič bei der anschließenden Pressekonferenz nach dem Mittagessen Stellung. Das wird den transatlantischen Rivalen nicht überzeugt haben.

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