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Aus: Ausgabe vom 21.11.2025, Seite 8 / Kapital & Arbeit
Wirtschaftskrieg

Leere Tanks in Serbien

Energiekonzern wird wegen Gasprom-Beteiligung von Sanktionen erdrückt. Versorgungslage ungewiss. Verkauf von Finanzrestriktionen behindert
Von Slavko Stilinović
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Selbst wenn Gasprom seine Anteile verkaufen wollte, stehen Zahlungssanktionen im Weg (Belgrad, 8.10.2025)

Die Erdölindustrie Serbiens ist Opfer einer geopolitischen Machtprobe. Aufgrund der Mehrheitsbeteiligung des russischen Staatskonzerns Gasprom haben die USA im Oktober Sanktionen gegen den größten serbischen Energiekonzern NIS verhängt. Diese Maßnahmen treffen die einzige Raffinerie des Landes und ein Tankstellennetz mit etwa 400 Filialen, das auch Rumänien, Bulgarien und Bosnien-Herzegowina versorgt.

Die Sanktionen, die das US-Finanzministerium im Januar anordnete, sind Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets gegen Russlands Ölindustrie. Serbien ist also nicht das eigentliche Ziel, wird aber besonders getroffen. Zwei Gasprom-Töchter hatten 2008 für 400 Millionen Euro eine Mehrheitsbeteiligung an der NIS erworben, als die in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Gasprom Neft hält rund 49 Prozent, Gasprom 11 Prozent der NIS-Aktien. Rund 29,9 Prozent sind serbisches Staatseigentum. Das für die Anordnung von Handelsrestriktionen zuständige Office of Foreign Assets Control (Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte, OFAC) hatte Gasprom im Januar 45 Tage Frist gesetzt, um aus der Mehrheitsbeteiligung auszusteigen. Vor wenigen Tagen ging ein neuerliches Ultimatum aus Washington an den serbischen Staat, sich binnen drei Monaten um die Entkopplung zu kümmern, wie der österreichische ORF berichtete.

Serbien ist weit von Seehäfen entfernt, so dass jeder Tropfen importierten Öls einen langen Landweg bis zur Raffinerie zurücklegen muss. Die infrastrukturelle Lebensader ist seit über 50 Jahren die Adriapipeline, die vom kroatischen JANAF-Konzern betrieben wird. Sie beginnt im Hafen Omišalj auf der Insel Krk, von wo das Rohöl (meist aus dem Irak und den Ländern des Persischen Golfs) den Norden Kroatiens durchquert, bis es nach Pančevo – unweit von Belgrad – gelangt. Die Übergangsausnahme von den OFAC-Sanktionen ist ausgelaufen; der kroatische Betreiber bemüht sich nun mit Unterstützung Zagrebs um eine Verlängerung. Bei der Entscheidung dürfte die Bereitschaft Belgrads, Distanz zu Moskau zu zeigen, eine Schlüsselrolle spielen. Bis dahin droht dem Land noch in diesem Monat eine Treibstoffkrise: Die Raffinerie in Pančevo kann laut Regierungsangaben nur bis zum 25. November produzieren. Die Anlage deckt über 80 Prozent des Kraftstoffbedarfs des Landes.

Zugleich übt die EU Druck auf Serbien aus, sich an ihre Außenpolitik anzupassen. »Serbien muss sich entscheiden«, sagte zum Beispiel der BRD-Außenminister Johann Wadephul bei seiner Westbalkanreise. Bislang ist Serbien jedoch zu 80 Prozent von russischem Erdgas abhängig und strebt eine Balance zwischen Russland und der EU an.

Die russischen Mehrheitseigentümer haben sich in dieser Woche grundsätzlich zum Verkauf ihrer Anteile bereiterklärt. Aber die aktuellen US- und EU-Finanzsanktionen gegen Russland, wozu dessen Verbannung aus dem SWIFT-Bankensystem gehört, machen es fraglich, ob die Transaktion überhaupt abgewickelt werden könnte. Laut Energieministerin Dubravka Đedović Handanović laufen zwar Verhandlungen, potentielle Käufer wurden jedoch nicht genannt. Serbien selbst scheidet hierfür aus. Präsident Aleksandar Vučić hatte zwar angekündigt, russischen Partnern einen »höheren Preis« für die NIS-Mehrheitsbeteiligung zu bieten. Experten bezweifelten jedoch seine Verhandlungsposition und schätzen den Wert des Unternehmens trotz Milliardeninvestitionen auf nur etwa eine Milliarde Euro.

Ein Verkauf an einen anderen europäischen Akteur, wie den ungarischen MOL-Konzern, wäre höchst riskant. Denn konventionelle Zahlungswege sind aufgrund des SWIFT-Ausschlusses russischer Banken blockiert. Jede beteiligte westliche Bank würde sofort ins Visier der Aufsichtsbehörden geraten. Realistischer scheint daher eher ein Käufer aus China oder dem Nahen Osten. Auch die Nutzung alternativer Währungen wie Yuan oder Dirham oder Kompensationsgeschäfte waren im Gespräch.

Letztlich hängt die Genehmigung aber maßgeblich von der US-Seite ab. Einige Experten plädieren angesichts der Komplexität sogar dafür, dass der serbische Staat die Anteile selbst übernehmen sollte, um die energetische Sicherheit und Kontrolle zu wahren.

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