Militär greift nach den Sternen
Von Luca von Ludwig
Es ist hinlänglich bekannt, dass die Sicherheit der BRD überall da verteidigt wird, wo es ihr gerade in den Kram passt. In Zukunft bedeutet das wohl: auch im Kosmos und notfalls auf dem Mond. Am Mittwoch nachmittag stellte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die erste nationale »Weltraumsicherheitsstrategie« (WRSS) vor. Diese sieht einen intensiven Ausbau der Weltallüberwachung sowie der transatlantischen Bündnisse und nicht weniger als das Ende der rein zivilen Raumfahrt vor.
Wehrhaft. Resilient. Kooperativ. Das sind die Schlagwörter, mit denen im WRSS-Papier die »Charakteristika der künftigen deutschen Weltraumsicherheitsarchitektur« beschrieben werden. Das klingt nach ordinärem Brustaufplustern, wie es von einer sich wichtig wähnenden Armee eben erwartet wird, doch die einzelnen Punkte haben es durchaus in sich. Unter dem Banner »wehrhaft« will das Verteidigungsministerium seine Streitkräfte befähigen, »Weltraumsysteme effektiv zu schützen, Angriffe abzuwehren sowie gegnerische Handlungsmöglichkeiten im Weltraum einzuschränken«.
Konkret soll das unter anderem durch den Ausbau des deutschen Satellitennetzes und der hiesigen Raumfahrtindustrie erfolgen. Das steht im Einklang mit der kürzlichen Erklärung aus dem Ministerium, der Bundeswehr in den nächsten Jahren gut 35 Milliarden Euro für die Schaffung entsprechender Kapazitäten bereitzustellen – ein Budget, das das der Europäischen Raumfahrtagentur ESA um ein Vielfaches übersteigt. Damit sollen Cluster mit mehreren hundert Satelliten aufgebaut werden. Generalmajor Michael Traut, Leiter des Bundeswehr-Weltraumkommandos, freute sich im Oktober diesbezüglich darüber, dass durch die Direktvergabe durch die Bundesrepublik die lästige »Kultur der Risikovermeidung« überwunden werden könne. Aufstrebende Weltraumunternehmen sollen durch die finanzielle Rückendeckung des Militärs dazu befähigt werden, mehr Tests mit weniger Erfolgsdruck durchführen zu können. Das Strategiepapier sieht ferner den Aufbau eines »Koordinierungsstabes für Weltraumsicherheit« vor, der bei Bedarf die Ausarbeitung von Handlungsoptionen übernehmen soll.
Deutlich brisanter und im Papier eher beiläufig erwähnt: Die Grenze zwischen der zivilen und militärischen Nutzung des planetaren Orbits soll bis zur völligen Irrelevanz verwischt werden – »Dual Use«, heißt das im Militärjargon. »Zivile und militärische Satelliten sollen die notwendige Kommunikations- und Datenübertragungsinfrastruktur für dimensionsübergreifende Operationen bereitstellen«, steht es in der WRSS. Im Klartext soll die Bundeswehr also jeden technischen Kanal zwecks Kommunikation heranziehen dürfen. Zu Beginn des Strategietextes wird noch lang und breit die Sorge um die zivile Weltrauminfrastruktur (GPS, Internet und dergleichen) ausgeführt. Dass diese durch ihre parallele Verwendung zu explizit militärischen Zwecken nicht nur zu strategisch sinnvollen, sondern auch kriegsrechtlich gegebenenfalls legitimen Zielen werden, bleibt unerwähnt.
Unter dem Banner der »Resilienz« versteht das Verteidigungsministerium vor allem die leichte Ersetzbarkeit, wenn die orbitale Infrastruktur in einer potentiellen Auseinandersetzung unweigerlich beschädigt oder zerstört würde. Zu tief steckt den Militärs der Schock der ersten Kriegstage in der Ukraine in den Knochen, als dass man sich hier keinen Plan B zurechtlegt. Damals wurde durch den Wegbruch satellitengestützter Schlachtfeldüberwachung ein nicht irrelevantes Loch in die militärische Aufklärung gerissen. So sollen unter dem Label »Responsive Space« Kapazitäten geschaffen werden, kurzfristig ausgefallene Systeme im Orbit auszutauschen und zu erweitern. Schon bei der angekündigten Extraförderung für das Bundeswehr-Satellitenprogramm ging es zudem um den Aufbau modularer Kapazitäten, die entsprechend der technologischen Entwicklung erweiterbar sein sollen.
»Kooperation« im Sinne der WRSS heißt indes: eine intensivere Transatlantik- und NATO-Bindung. So wird darauf hingewiesen, dass Angriffe aus dem Weltraum hinlänglich seien, den Bündnisfall auszulösen. Für den europäischen Raum beansprucht die BRD derweil die Vormachtstellung und will »beim Aufbau einer europäischen Weltraumsicherheitsarchitektur eine gestaltende Führungsrolle unter Wahrung nationaler Interessen und Kompetenzen einnehmen«. Auf UN-Ebene will die Bundesrepublik auf Regelungen setzen, die »verantwortliches von unverantwortlichem« – also ihr genehmes und solches, das es nicht ist – Verhalten unterscheiden.
Sollte man sich nun um kosmische Großmachtphantasien auf Militärseite Gedanken machen? Der Verteidigungsminister beschwichtigt: »Wir sind im All nicht offensiv unterwegs«, lässt sich Pistorius von der »Tagesschau« zitieren. Man müsse sich lediglich »auch offensiv im Sinne eines Gegenschlages wehren« können.
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