Kosmische Machtphantasien
Von Luca von Ludwig
Im Kriegsministerium der BRD denkt man in großen Maßstäben. Astronomischen gar. Zumindest regionale Vormacht soll die Bundesrepublik mal wieder werden, jüngste Ambition: Weltraum. Eine »dreistellige Anzahl von Satelliten« solle in den nächsten Jahren ins All gebracht werden, sagte der Chef des Bundeswehr-Weltraumkommandos, Michael Traut, dem Handelsblatt am Mittwoch. Die angedachte »große, multifunktionale Konstellation« werde dem Generalmajor zufolge zur weltraumgestützten Spionage dienen, auch Bodensignale und die Flugbahnen ballistischer Raketen sollen überwacht werden können.
35 Milliarden Euro will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der Bundeswehr bis 2030 für den Ausbau ihrer militärischen Kapazitäten im planetaren Orbit zur Verfügung stellen, wie er bereits vergangene Woche auf dem »Weltraumkongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie« ankündigte. Das freut nicht nur Militärs, sondern auch private Raumfahrtkonzerne. Beispielsweise hat sich der Wert der Aktien des Bremer Satellitenbauers OHB seit der Ankündigung beinahe verdoppelt.
Aufträge der Europäischen Weltraumorganisation (European Space Agency, ESA) werden nach dem System des »Geographic Return« vergeben. Das bedeutet, dass die Unternehmen jedes Landes Aufträge in etwa in der Summe erhalten, die der jeweilige Staat in das Gemeinschaftsprojekt einzahlt. Dadurch sollen auch wirtschaftlich schwächere Länder, die normalerweise kein konkurrenzfähiges Angebot machen könnten, an der Hightechentwicklung proportional teilhaben. Das Budget der Organisation beträgt für das laufende Jahr 7,7 Milliarden Euro.
Die angekündigten Militärinvestitionen wirken daher als Konjunkturbooster für deutsche Raumfahrtunternehmen. Während es bei der Geldervergabe durch die ESA eine »Kultur der Risikovermeidung« gegeben habe, so Weltraumkommando-Chef Traut, sei die Bundeswehr ein Auftraggeber, dem Zeit wichtiger sei als Geld. Man müsse »bis 2029 kriegsfähig sein«, weshalb es einen Wandel bei der Investitionskultur brauche. Man wolle zukünftig nach »New-Space-Prinzipien« arbeiten, also nach dem Prinzip »Versuch und Irrtum«, wie es bei Unternehmen wie Elon Musks Space X gemacht wird. Das Unternehmen testet fortwährend Raketen, welche oftmals während des Einsatzes abstürzen.
Pistorius schoss die Öffentlichkeit in der vergangenen Woche schon einmal auf die Hauptgegner auf dem Schlachtfeld Kosmos ein: Im Weltraum seien »Russland und China unsere direkten Nachbarn«. Beide würden die Satelliten, »Achillesferse« der modernen Gesellschaften, gefährden. Angriffe richteten sich nicht nur gegen Militärziele, sondern »die Gesellschaft insgesamt«, so der Kriegsminister.
Auf der europapolitischen Ebene ist Pistorius’ Ankündigung durchaus nicht ohne Brisanz. Die BRD wird mit dem Investitionsprogramm zur faktischen Vormacht in der europäischen Weltraumindustrie und gibt laut Handelsblatt nun mehr als Frankreich oder Großbritannien für die militärische Nutzung des Alls aus. Nachdem es schon bei anderen Kooperationen wie dem Kampfjet FCAS zwischen der BRD und Frankreich immer wieder zu Streitigkeiten kommt, darf man wohl annehmen, dass sich der internationale Konkurrenzdruck auf dem Weltraummarkt noch verstärken dürfte. Schon jetzt sind die Kapazitäten privater Raketenanbieter auf Jahre ausgebucht.
Die Erforschung und Nutzung des Weltraums soll zum Nutzen und im Interesse der gesamten Menschheit erfolgen, hieß es einst, 1963, in einer UN-Resolution. Das war natürlich lange vor der »Zeitenwende«, wissen will von so etwas heute niemand mehr. Der Traum vom geteilten Kosmos: Sternenstaub von gestern.
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