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Aus: Ausgabe vom 21.11.2025, Seite 2 / Inland
Wahlkampf Die Linke Berlin 2026

Wie steht die Linksjugend zu einer Regierungsbeteiligung?

Berlin: Die Linke will ins Rote Rathaus. Die Parteijugend Solid lehnt das ab, sagt Johannes Franck
Interview: Max Grigutsch
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Mit Elif Eralp als Spitzenkandidatin will Die Linke in Berlin die Abgeordnetenhauswahl im September 2026 gewinnen und die Regierende Bürgermeisterin stellen. Wie steht die Linksjugend Berlin zu der avisierten Regierungsverantwortung?

Nach mehreren schweren Jahren für die Partei würde ihr Demut guttun. Gemeinsam mit Die Linke wollen wir eine sozialistische Klassenpartei aufbauen. Die vergangenen Regierungsbeteiligungen haben gezeigt, dass Regieren nicht alles besser macht. Viel ist schiefgelaufen. Es fehlt eine Analyse, warum wichtige Vorhaben nicht umgesetzt wurden und der neoliberale Status quo vorangetrieben wurde. Als Linksjugend Berlin haben wir Anfang November eine grundlegende Analyse beschlossen, die wir in der Partei verbreiten wollen. Darin lehnen wir eine Regierungsbeteiligung ab und zeigen auf, wie unser Verhältnis zum kapitalistischen Staat und seinen Regierungen sein sollte.

Das föderale System und andere Bedingungen lassen es in einem Bundesland aktuell nicht zu, die Produktions- und Eigentumsverhältnisse grundlegend zu verändern. Die Linke im Abgeordnetenhaus muss vor allem die Widersprüche des Systems offenlegen. Und wir müssen gemeinsam so viel Druck erzeugen, dass die Regierenden die Politik umsetzen, die wir vorschlagen. Weder die SPD noch die Grünen werden bei einer radikalen Umverteilung mitmachen. Selbst wenn die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. umgesetzt würde, wird die SPD dafür ein Entgegenkommen in anderen Bereichen verlangen. Das wird für Die Linke nicht tragbar sein. Wenn die Partei vor der Wahl Hoffnung auf eine linke Regierung macht, in der alles besser ist, dann ist Enttäuschung vorprogrammiert.

Sehen Sie Anzeichen für diese Entwicklung?

Schon jetzt werden Positionen aufgeweicht, um Grünen und SPD eine gemeinsame Regierung attraktiv zu machen. Diese Rechtsverschiebung wird in einer Regierung nur stärker werden. Doch wir wollen nicht nur Pessimismus verbreiten. Die Macht der Opposition wird allgemein unterschätzt. Wer bei seinen Positionen bleibt, Protest auf die Straße bringt und Menschen organisiert, wird den Zeitgeist und die Politik verändern.

Am Sonnabend hat sich der Linke-Landesparteitag auf den Kurs auf die »rote Metropole« Berlin eingestimmt. Was wurde sonst noch beschlossen?

Die wichtigsten Beschlüsse betreffen die Positionierungen zu Bundeswehr und Polizei. Wir konnten erreichen, dass Polizeigewalt ein Thema im Wahlkampf werden soll. Außerdem, dass Die Linke im Rahmen der »Die Linke hilft«-Strukturen Beratungen zur Kriegsdienstverweigerung anbietet. Wir konnten aber auch durchsetzen, dass das nicht reicht. Wir müssen uns etwa dafür einsetzen, dass die öffentliche Kriegspropaganda nicht wirkt, dass es ein Bundeswehr-Werbeverbot gibt, und dass das Land Berlin keine Flächen oder anderweitige Infrastruktur für Bundeswehr, Rüstungsunternehmen oder die entsprechenden Bundesministerien zur Verfügung stellt.

Streit gab es beim Thema Palästina. Letztendlich wurde ein Kompromiss verhandelt. Halten Sie den Beschluss für tragfähig?

Die Partei hat es nicht geschafft, sich auf eine eindeutige Position zum Genozid in Gaza zu einigen. Der Beschluss enthält aber wichtige Formulierungen. Er geht auf die Gründe ein, warum die israelischen Verbrechen an den Palästinensern stattfinden, und benennt, dass die »Waffenruhe« brüchig ist. Leider wird dennoch zu begründen versucht, warum einige in der Partei die Verbrechen nicht als Genozid bezeichnen. Dieser Widerspruch lässt es zu, dass Genossen verschiedene Dinge öffentlich sagen können. Das wird im Wahlkampf wahrgenommen werden und dem politischen Gegner eine Angriffsfläche bieten.

Mit welcher Haltung geht ihr in den Wahlkampf?

Wir kämpfen in Berlin für eine starke sozialistische Linke, die ihre Standpunkte nicht für Regierungsfähigkeit abtritt und die Stimmen junger Menschen vertritt. Dabei konzentrieren wir uns auf unseren Wahlkampf mit unserer Jugendkandidatin Asya Şenyüz. Wir stellen die Sorgen der Jugend in den Vordergrund, vor allem was den unfreiwilligen Wehrdienst, Ausbildungsbedingungen, Lebenshaltungskosten, Wohnungssituation sowie den Klimawandel betrifft. Weiterhin werden wir Kandidatinnen unterstützen, die offen hinter den Positionen der Linksjugend Solid stehen. Sozialismus als Perspektive der Jugend, das motiviert uns.

Johannes Franck ist Sozialarbeiter und jugendpolitischer Sprecher der Linksjugend Solid im Landesvorstand Die Linke Berlin

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