Gedenkdemonstration in Gefahr
Von Max Grigutsch
Es ist fast normal geworden, dass in der Hauptstadt Baustellen auf öffentlichen Straßen und Plätzen ewig nicht fertig werden. Aufhorchen kann man dann, wenn dadurch die wohl wichtigste Gedenkveranstaltung der deutschen Linken in Gefahr gerät. Nun könnte eine außer Kontrolle geratene Dauerbaustelle das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verhindern.
Die jährliche Ehrung am zweiten Januarwochenende erinnert an die beiden kommunistischen Revolutionäre, die am 15. Januar 1919 durch präfaschistische Freikorps unter Deckung durch führende Sozialdemokraten wie Gustav Noske und Friedrich Ebert ermordet worden waren. Abgesehen von einer Unterbrechung während des Hitlerfaschismus findet die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration (LL-Demo) seit 1920 jedes Jahr statt und endet an der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde.
Aber 2026 könnten das die besagten Bauarbeiten erschweren oder verhindern. Stand jetzt ist der Vorplatz des Friedhofs eine Baustelle, die großen Eingangstore sind mit Bauzäunen versperrt. Schon vor der Demo im Januar 2025 gab es Probleme wegen dieser Baustelle; eine Baugrube wurde aber temporär mit Schotter aufgefüllt, um die Ehrung zu ermöglichen. Die Berliner Zeitung berichtete am Sonnabend, dass es eine solche Lösung für die kommende Demo nicht geben soll. »Ein sicheres, großflächiges Provisorium – wie es für eine Demonstration mit mehreren tausend Teilnehmenden erforderlich wäre – lässt sich bis Januar 2026 weder finanziell noch vergaberechtlich fristgerecht realisieren«, zitierte das Blatt die zuständige Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne). Am Freitag hatte die Tageszeitung ND einen ähnlichen Wortlaut vom Bezirksamt Lichtenberg angeführt und berichtet, dass das Amt die Genehmigungen der Infostände verweigere, die sonst auf dem Vorplatz aufgebaut werden.
Eine in diesem Sinne definitive Entscheidung wollte der Bezirk am Montag gegenüber jW indes nicht bestätigen. Allerdings gibt es auch keine Zusicherung, dass die Veranstaltung wie üblich stattfinden kann. Auf Anfrage teilte Bezirksstadträtin Keküllüoğlu mit, dass sich das Bezirksamt »intensiv« bemühe, im »engen Austausch mit der Polizei« eine »angemessene Lösung für die Baustellensituation zu erarbeiten«. Zuletzt hätten sich Amt und Polizei am Montag getroffen. Eine abschließende Entscheidung hänge davon ab, »ob die notwendigen Mittel für das Provisorium bereitstehen«, und ferner davon, dass »geeignete Firmen Kapazitäten verfügbar haben müssen«, heißt es von Keküllüoğlu. Das werde das Bezirksamt auch hinsichtlich der Standflächen »sorgfältig« prüfen.
Bei der in Frage stehenden Genehmigung gehe es »ausschließlich um die Demonstration« – gemeint ist die LL-Demo am 11. Januar 2026 –, ein stilles Gedenken sei hingegen »jederzeit möglich«, da der Friedhof regulär geöffnet sei. Die Partei Die Linke habe für das angemeldete »Stille Gedenken an Karl und Rosa« keine offizielle Absage erhalten, erklärte Landesgeschäftsführer Björn Tielebein am Montag gegenüber jW. »Wir erwarten vom Bezirksamt, dass rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden, damit die LL-Ehrung am Ort wieder stattfinden kann«, sagte Tielebein. Einen entsprechenden Antrag hat der Landesparteitag am Sonnabend beschlossen.
Klaus Meinel, Anmelder der bedrohten Demo, hofft, dass auch diese stattfinden kann. »Auf jeden Fall wollen wir an der Gedenkstätte enden«, sagte Meinel mit Blick auf das Ziel der Demo am Montag gegenüber jW. Die Demo sei seit August angemeldet. Durch eine Nichtgenehmigung würden bereits gekaufte und verteilte Werbematerialien verfallen; die entstandenen Kosten werde man »entsprechend einklagen«. »Dann wären die Kosten für das Bezirksamt größer, als wenn sie baulich darauf reagieren«, so Meinel.
Der Aufzug, der Linke und Revolutionäre aus ganz Deutschland versammelt, sei der Staatsgewalt schon immer ein Dorn im Auge, so Meinel. Das sehe man an den »permanenten Prügelattacken« der Polizei. Der aktuelle Aufruf wendet sich vor allem gegen die Militarisierung. Sollte die Demo nicht genehmigt werden, warnte Meinel, »dann legen wir den gesamten Berliner Verkehr lahm«.
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