Kann der Regenwaldfonds so finanziert werden?
Interview: Gitta Düperthal
Im Umfeld der aktuell laufenden UN-Klimakonferenz COP 30 in Belém gibt es gehäuft Desinformation zu dem Thema, Wissenschaftler werden an den Pranger gestellt. Was passiert da?
Jenseits von Leugnen und Fake News verfolgen Interessenvertreter und Regierungen verschiedener Länder die Strategie, die Klimaagenda verzögern zu wollen. Ziel ist es, nationale Beiträge zur Umsetzung von Klimapolitik und -anpassung abzuschwächen, um eigene fossile Geschäfte nicht zu gefährden. Echte Bekämpfung von Klimaschutz kommt vor allem aus dem Trump-Lager. Zuletzt wandten US-Delegierte im Oktober beim Umweltausschuss der UN-Seeverkehrsorganisation IMO in London Schikanen an, damit keine Klimaschutzvorschriften in Form von CO2-Bepreisung eingeführt werden und sie nicht für die Verschmutzung der Weltmeere zahlen müssen. Staaten, die dafür stimmen wollten, drohten sie mit Sanktionen, Zöllen, Visabeschränkungen, zusätzlichen Hafengebühren. Bei COP 30 sind die USA nicht vertreten. Doch auch andere reiche Industriestaaten haben in der Vergangenheit bei multilateralen Verhandlungen blockiert: etwa europäische Länder, Kanada oder Australien.
Wie machen Lobbyisten dort Einfluss geltend?
Berichten zufolge ist deren Anteil diesmal so groß wie noch nie. Von 25 Teilnehmern ist jeweils einer Interessenvertreter der privaten Wirtschaft. Es sind wohl 1.602 Lobbyisten aus der Öl-, Gas- und Kohleindustrie.
Ist das Ausdruck eines Verteilungskampfs?
In der Tat haben die Lobbyisten mehr Zugangspässe als alle Delegationen der zehn durch die Erderwärmung vulnerabelsten Länder. Die Zugangspässe sind teuer oder nur durch Einfluss von Regierungen zu erhalten. Für Nichtregierungsorganisationen ist die Teilnahme aufgrund von kostspieligen Pässen, hohen Visa-, Reise-, und Hotelkosten oft unerschwinglich. Die Ausgeglichenheit des Stakeholderansatzes (der Interessen aller betroffenen relevanten Anspruchsgruppen berücksichtigen soll, jW) ist ein Mythos.
Wie tritt die deutsche Regierung dort auf?
Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich dazu bekannt, dass Klimaschutz immer noch auf der Agenda stehe. Doch seine Regierung verfolgt die Strategie, Klimaschutz und Entwicklung in die Außenwirtschaftsförderung einzupflegen. Bei der Ampelregierung war das allerdings nicht anders.
Kann der sogenannte TFFF – Tropischer Regenwaldfonds für die Ewigkeit – auf diese Weise finanziert werden?
Der TFFF, ein von Brasilien vorangetriebener globaler Fonds, soll private und staatliche Gelder mobilisieren. Er ist eine Wette auf Rendite: Hineinfließen sollen 25 Milliarden US-Dollar öffentliche Gelder von reichen »Geberländern«, wie etwa der Bundesrepublik. Und zusätzlich 100 Milliarden aus privaten Unternehmen. Die insgesamt 125 Milliarden plant man in Staatsanleihen im globalen Süden zu investieren und erwartet einen Renditegewinn von bis zu acht Prozent. Im Anschluss sollen erst die Unternehmen ihr Geld, plus etwa fünf Prozent Zinsen, zurückerhalten, dann an »Geberländer« zurückgezahlt werden. Was übrig ist, soll an Tropenwaldländer ausgezahlt werden. Man rechnet mit nur etwa vier Milliarden US-Dollar pro Jahr. Zum Vergleich: Von 2022 bis 2024 steckten die G7-Staaten pro Jahr etwa 1,2 Billionen US-Dollar in militärische Aufrüstung. Das ist Marktwirtschaft nach dem ideologischen Glauben von Kanzler Merz. Er war ja zuvor Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock. Dort profitiert man gern von so einem Finanzmodell.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat bei COP 30 die Regierungschefs aufgerufen, Leugner des Klimawandels »zu besiegen«. Kann das gelingen?
Mit dem Rückzug der USA herrscht bei vielen multilateralen Verhandlungen nun ein Ansatz von Koalitionen der Willigen. Demnach werden einzelne Initiativen aufgestellt mit der Hoffnung, dahinter mehr Länder zu versammeln. Bisher behauptet sich nur China einigermaßen erfolgreich gegen die USA. In den Staaten muss Klimaschutz von sozialen Bewegungen erkämpft werden.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (18. November 2025 um 11:49 Uhr)Nun soll also der Regenwald mit renditescharfen Instrumenten des Kapitalismus vor der weiteren Zerstörung durch eben diesen Kapitalismus »gerettet« werden. Tolle Idee! Das ist in etwa so glaubhaft und erfolgversprechend, als würde man ein Rudel Wölfe zum Schutz einer Schafherde vor gierigen Hyänen rekrutieren.
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