Kerosin für den Klimaschutz
Von Norbert Suchanek
					In wenigen Tagen, am Montag kommender Woche, beginnt die 30. UN-Klimaschutzkonferenz – genannt COP 30 – im brasilianischen Belém do Pará. Eine Krise wegen fehlender und extrem überteuerter Hotelbetten in der Landeshauptstadt von Pará am Amazonasdelta konnte Brasiliens Regierung gerade noch so abwenden. Vom 10. bis 21. November werden deshalb zwar nicht alle, aber mindestens 143 Regierungsdelegationen der 198 Vertragsstaaten in der nordbrasilianischen Stadt über die künftigen Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und zur Eindämmung der globalen Erwärmung debattieren.
Zwei Profiteure der COP 30 stehen indes schon fest: die brasilianische Bauindustrie und der Massentourismus. Rund 800 Millionen Euro investierte das Land in die Bauwirtschaft, um die Stadt für den Klimagipfel »fit zu machen«, wie es offiziell heißt. So wurde der internationale Flughafen von Belém modernisiert und dessen Kapazität von vormals etwa 7,7 Millionen auf nun rund 13 Millionen Passagiere pro Jahr nahezu verdoppelt. Zudem sorgt eine neue, durch Regenwald und lokale Gemeinden gebaute, 13,4 Kilometer lange vierspurige Schnellstraße inklusive solarbeleuchtetem Fahrradstreifen für den bequemen Transport der rund 50.000 erwarteten COP-30-Gäste. Eine Regenwaldfläche von mehr als 71 Hektar oder 100 Fußballfeldern fiel dieser »Avenida Liberdade« (»Freiheitsallee«) zum Opfer. Die Regierung ließ ferner den lokalen Hafen Outeiro um ein neues, eigens für Riesenkreuzfahrtschiffe konstruiertes Terminal erweitern.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ließ es sich nicht nehmen, die gerade noch in letzter Sekunde fertiggestellten Großbauten am vergangenen Sonnabend persönlich einzuweihen. »Der internationale Flughafen Belém und das neue Hafenterminal Outeiro sind Symbole eines modernen Amazonas, der bereit ist, die Welt willkommen zu heißen. Diese Projekte stärken den Tourismus, schaffen Arbeitsplätze und Einkommen und hinterlassen ein Infrastrukturerbe, das weit über die COP 30 hinausreicht und den Menschen in Pará konkrete Vorteile bringt«, sagte Tourismusminister Celso Sabino bei den Einweihungsfestivitäten.
Bedenklich für die Klimaverhandlungen in Belém ist derweil das Festhalten der brasilianischen Regierung an der Ausweitung der Erdölproduktion, insbesondere in der Region des Amazonasmündungsgebiets. Erst vor wenigen Tagen wurden Probebohrungen durch den Ölkonzern Petrobras in dieser ökologisch so reichen wie fragilen Region genehmigt. Alarm schlagen daher auch die lokalen indigenen Stämme, die um ihre Ernährungsgrundlage, die Fischerei, fürchten.
»Obwohl viel darüber gesprochen wird, dass die COP 30 zum Scheitern verurteilt ist, was ein Abkommen zur Eindämmung der globalen Erwärmung angeht, bleibt uns dennoch keine andere Wahl, als ein solches Abkommen zu erzielen«, sagte der Klima- und Regenwaldforscher Philip Fearnside vom Amazonasforschungsinstitut (INPA) in Manaus gegenüber jW. »Die Zeit drängt, und die Folgen weiterer Verzögerungen wären schlichtweg zu gravierend.« Er hoffe deshalb, »dass sich die Länder, einschließlich Brasilien, darauf einigen, die Nutzung fossiler Brennstoffe rasch zu stoppen und die Förderung einzuschränken, inklusive des Verzichts auf die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder«.
Die Arbeit der Länder zur Vermeidung von CO2-Emissionen müsse jedoch noch weitergehen, so Fearnside. Diese Arbeit erfordere »nicht nur die Bekämpfung der Symptome, wie Brasilien es derzeit mit Kontrollen und Bußgeldern tut, sondern im besonderen auch die Beseitigung der zugrunde liegenden Ursachen des Waldverlusts, was Brasilien offensichtlich noch nicht tut«.
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