Ethik nicht mehr zeitgemäß
Von Susanne Knütter
Unter großem öffentlichen Druck hat der norwegische Staatsfonds in den vergangenen Monaten nach und nach Beteiligungen an Unternehmen abgestoßen, die von Israels Krieg im Gazastreifen profitieren. So hat er inzwischen die Hälfte seiner israelischen Beteiligungen sowie die am US-Baumaschinenhersteller Caterpillar verkauft. Mit diesen ethisch begründeten Verkäufen ist nun vorerst Schluss. Das norwegische Parlament hat sie vorübergehend ausgesetzt. Während der rund einjährigen Pause sollen die Richtlinien des 2,1 Billionen US-Dollar schweren weltgrößten Staatsfonds grundlegend überarbeitet werden, wie Finanzminister Jens Stoltenberg am Dienstag im Parlament in Oslo sagte.
Der Schritt erfolgt angesichts internationaler Kritik, insbesondere aus den USA. Das Außenministerium in Washington hatte sich im September »sehr beunruhigt« über die Entscheidung des Fonds zu Caterpillar gezeigt. Der Grund war, dass Israel dessen Bulldozer in palästinensischen Gebieten einsetzt. »Die Welt hat sich verändert, seit die ethischen Richtlinien erstmals verabschiedet wurden«, sagte Stoltenberg. »Die Regeln müssen überprüft werden.« Sie stammen aus dem Jahr 2004 und verbieten unter anderem Investitionen in Unternehmen, die an schweren Menschenrechtsverletzungen in Kriegs- oder Konfliktsituationen beteiligt sind. Ein unabhängiges Ethikgremium untersucht Vorwürfe und gibt Empfehlungen für den Verkauf von Anteilen ab. Die letztendliche Entscheidung trifft der Vorstand der Zentralbank. Diese Empfehlungen werden nun für die Dauer der Überprüfung auf Eis gelegt.
Ein weiterer Grund dürften die Beteiligungen des norwegischen Fonds an US-Techunternehmen sein. Stoltenberg sagte laut Financial Times (FT), der Ethikrat habe geplant, sich bald mit Technologieunternehmen wie Amazon, Microsoft und Google-Eigentümer Alphabet sowie mit Unternehmen zu befassen, die auf einer im Juli veröffentlichten Liste der Vereinten Nationen stehen. Laut dem Bericht der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese gewährten die drei Techgiganten Israel praktisch regierungsweiten Zugang zu ihren Cloud- und KI-Technologien. Damit verbesserten sie die Datenverarbeitungs-, Entscheidungsfindungs-, Überwachungs- und Analysekapazitäten Israels. Nach den ethischen Richtlinien des Fonds müsse man darauf vorbereitet sein, dass eine unabhängige Stelle beschließt, sich aus einigen der größten Unternehmen der Welt zurückzuziehen. »Dann wären wir kein breit aufgestellter, globaler Indexfonds mehr«, sagte Stoltenberg. Schon der Verkauf eines der US-Technologiegiganten, von denen die sieben größten 16 Prozent der Aktienbestände des Fonds ausmachen, könnte demnach dessen Status als Indexfonds schaden und Norwegens Wohlfahrtsstaat gefährden. Aus dem Fonds wird etwa ein Viertel der norwegischen Staatsausgaben finanziert.
Der Vorschlag wurde nur mit der Unterstützung der beiden größten oppositionellen Mitte-rechts-Gruppen angenommen. Linke Politiker – die die Regierung zur Verabschiedung des Haushaltsplans benötigt – kritisierten diesen Schritt scharf. »Das bedeutet, dass man als ausreichend großes Unternehmen tun kann, was man will«, sagte Arild Hermstad, Vorsitzender der Grünen, laut FT. Kirsti Bergstø, Vorsitzende der Sozialistischen Linkspartei, sagte, sie sei besorgt, dass die norwegische Regierung derzeit Entscheidungen treffe, um dem US-Präsidenten und den Techoligarchen entgegenzukommen, anstatt ihrer eigenen Bevölkerung und der moralischen Überzeugung, nicht in Völkermord zu investieren.
Bei der bevorstehenden Überprüfung der ethischen Richtlinien des Fonds solle FT zufolge auch geprüft werden, ob dieser in mehr Rüstungsunternehmen investieren könne. Unternehmen wie Boeing, Airbus, BAE Systems und Lockheed Martin waren bisher tabu, weil sie Teile für Atomwaffen herstellen. Allerdings hat Norwegen laut seinem Finanzminister und ehemaligen NATO-Generalsekretär gerade einen Vertrag über zehn Milliarden Pfund mit BAE für Kriegsschiffe unterzeichnet. Der Ethikrat des Fonds begrüßte die Überprüfung.
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