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Aus: Ausgabe vom 22.05.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Deinvestment

Oljefondet gegen Siedlungsbau

Norwegen: Staatsfonds stößt nach Kritik von Gewerkschaftern Aktien von israelischer Tankstellenkette ab
Von Gerrit Hoekman
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Aktivisten hatten, wie die Landsorganisasjonen i Norge, schon lange Maßnahmen des Staatsfonds gefordert (Oslo, 7.12.2023)

Während die deutsche Regierung Israel wegen seiner illegalen Siedlungen nur ermahnt, schafft der norwegische Staatsfonds (Oljefondet) Fakten. Am 11. Mai gab er bekannt, die größte israelische Tankstellenkette Paz Retail and Energy aus seinem Portfolio gestrichen zu haben. Der Grund: Paz betreibt neun Tankstellen auf der völkerrechtswidrig besetzten Westbank. »Indem Paz Infrastruktur für die Treibstoffversorgung der israelischen Siedlungen im Westjordanland betreibt, trägt es zu deren Fortbestand bei«, rechtfertigte der Ethikrat des Fonds den Schritt. Ein wenig Druck des norwegischen Gewerkschaftsbundes LO (Landsorganisasjonen i Norge) war aber schon nötig.

Aus Solidarität mit Palästina erneuerte die Gewerkschaft auf ihrem Kongress Anfang Mai in Oslo mit einer Mehrheit von 88 Prozent eine Resolution aus dem Jahr 2018, in der bereits zu einem wirtschaftlichen, kommerziellen und akademischen Boykott Israels aufgerufen wird. »Wir wollen, dass sich der Fonds aus Unternehmen zurückzieht, die in den besetzten palästinensischen Gebieten tätig sind«, sagte Steinar Krogstad, stellvertretender Vorsitzender von LO, laut Reuters in einem Interview. Der Beschluss des Kongresses spiegele den Grundsatz des LO wider, Investitionen in Unternehmen zu vermeiden, die gegen das Völkerrecht verstoßen.

Der Oljefondet, der rund 1,6 Billionen Euro schwer ist, hält insgesamt 1,5 Prozent der Aktien von 9.000 Unternehmen weltweit. 65 davon sind an der Börse von Tel Aviv notiert. Ihr Wert beträgt umgerechnet 1,9 Milliarden Euro, das sind 0,1 Prozent der Gesamtinvestitionen des Fonds. Einem Bericht der Organisation Don’t Buy into Occupation (DBIO) zufolge ist er damit Europas größter Investor in den israelisch besetzten Gebieten. Die jetzt auf den Markt geworfenen Paz-Aktien sind etwa 6,2 Millionen Euro teuer. Im Dezember hatte der größte Staatsfonds der Welt bereits alle Aktien der israelischen Telekommunikationsgesellschaft Bezeq verkauft. Ob der Fonds seine begonnenen Deinvestitionen fortsetzen will, ist unbekannt. Die meisten Firmen, die im Westjordanland aktiv sind, haben aber einer Überprüfung des Ethikrats standgehalten.

Der Pensionsfonds ist nicht der einzige Akteur aus Norwegen, der sich langsam von Israel distanziert. Das traditionsreiche Investmentunternehmen Storebrand trennte sich zum Beispiel von seinen Anteilen an Palantir Technologies, weil die Firma aus Denver ihre KI-gesteuerte Software auch an Israel verkauft. Sie soll unter anderem auf der Westbank eingesetzt werden. Seit dem Beginn des Gazakriegs haben Israel und Palantir die Geschäftsbeziehung noch einmal intensiviert. »Wir haben begonnen, andere Produkte zu liefern als vor Beginn des Krieges«, sagte CEO Alex Karp drei Monate nach Beginn des Gazakriegs im Oktober 2023 anlässlich einer Vorstandssitzung, die Palantir aus Solidarität in Tel Aviv abhielt. Karp und sein Kompagnon, der in Frankfurt am Main geborene, stark rechtslastige Techmilliardär Peter Thiel, trafen dabei auch Staatspräsident Isaac Herzog.

»Die Lage im Westjordanland wird von Tag zu Tag schlimmer. Die israelische Regierung verwandelt Wohnviertel in Schutt und Asche, staatlich unterstützte Siedler vertreiben Zehntausende und die Gewalt gegen Palästinenser nimmt zu«, sagte auch Christy Hoffman, die Generalsekretärin der internationalen Gewerkschaft UNI Global Union am Freitag in einer Erklärung auf der Internetseite der Organisation. »Wir sind beunruhigt, weil Israels extremistische Regierung den Grundstein für eine vollständige Annexion zu legen scheint.«

UNI habe die illegale Besetzung des Westjordanlandes seit langem verurteilt, hieß es weiter. Drei UNI-Kongresse hätten mit überwältigender Mehrheit den Aufruf unterstützt, Maßnahmen zu ergreifen. Diese sollten die Ausweitung illegaler Siedlungen verhindern »und ihren Zugang zu finanzieller Unterstützung für Wachstum und Bau beschränken«, etwa durch die Desinvestition von Unternehmen, die Bau und Entwicklung der Siedlungen finanzieren.

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