Iranisches Schreckgespenst am Nil
Von Luca Schäfer
Alarmismus im Westen: Iran könnte der lachende Dritte am Nil sein. Durch Waffenlieferungen, insbesondere Drohnentechnik, an die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) baue die geschwächte Theokratie nicht nur eine Brücke zum gleichfalls die SAF stützenden Ägypten, sondern versuche, Kontrolle über die wichtige Hafenroute am Roten Meer zu erlangen, heißt es in den Medien. Die Jerusalem Post gab schon im Juli den Tenor vor: Der De-facto-Staatschef und Anführer der SAF, Abd Al-Fattah Al-Burhan, sei ein »Mann« Teherans und müsse aus dem Weg geräumt werden. Schließlich sei der Konflikt kein unbedeutender Bürgerkrieg, sondern eine Bedrohung für die Existenz Israels.
Fakt ist, dass es im September 2023 zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Khartum und Teheran gekommen war. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als Burhan unter starkem Zugzwang der gegnerischen Rapid Support Forces (RSF) stand. Laut Reuters nutzte die Armee bei der Wiedereinnahme von Gebieten rund um die Hauptstadt Khartum 2024 unter anderem iranische Drohnen. Auch wenn es bisher, vergleichbar mit der Situation im Jemen, keinen Nachweis über iranische Militärberater vor Ort gibt, wird vermutet, dass die Lieferung der Rüstungsgüter über Port Sudan sowie die Instandhaltung der Waffen nicht ohne geschultes Personal vonstatten gegangen sein können. Iran dürfte es den Berichten nach um zweierlei gehen: Einerseits wäre eine Basis im Land – als Gegenleistung für die militärische Hilfe – geostrategisch bedeutend. Andererseits wäre ein weiterer, gegen Tel Aviv gerichteter Verbündeter in Teherans Interesse.
Allerdings gibt es seit Monaten kaum noch Berichte über iranisches Engagement im Sudan: Das könnte am israelisch-US-amerikanischen Feldzug gegen Iran liegen, der die Ambitionen und Handlungsmöglichkeiten des Landes deutlich dezimiert hat. In diesem Licht erscheinen die israelischen Medienberichte vor allem als Legitimation für ihren Krieg gegen Iran. Offenkundig scheiterte der erste israelische Plan: Zwar trat Khartum 2021 den von US-Präsident Donald Trump initiierten »Abraham-Abkommen« bei. Im Gegenzug sollte es Waffen für Al-Burhan geben. Doch dann geriet mit dem Ausbruch des Krieges zwischen SAF und RSF die Annäherung zwischen Israel und dem nominellen Regierungslager um Burhan ins Stocken. Allerdings war Tel Aviv von Beginn an zweigleisig verfahren. Einerseits gab es 2021 ein Treffen zwischen den SAF und dem Mossad. Andererseits stattete Israel verdeckt RSF-Truppen mit LAR-160-Artillerieraketen aus eigener Produktion aus. Denn weit mehr als an Normalisierung ist die Regierung von Benjamin Netanjahu an der Verhinderung des Sudan als möglichem iranischen Sprungbrett interessiert.
Die USA hingegen sind vor allem besorgt darüber, dass Russland eine 300 Mann starke Marinestation in Port Sudan eröffnen wird. Moskau treibt das Projekt besonders voran, seitdem die Zukunft der Marinebasis in Tartus in Syrien durch den dortigen Umsturz in Frage gestellt wurde. Der Sudan spielt mit seiner langen Küste am Roten Meer eine wichtige Rolle für die maritime Logistik. Für den US-Imperialismus ist es somit von zentraler Bedeutung, eine russische oder auch chinesische Vorherrschaft zu durchkreuzen. So sieht die US-amerikanische Denkfabrik Middle East Institute Anhaltspunkte für den Sudan als »Kerngebiet eines US-russischen Wettbewerbs«.
Ein beliebtes Instrument des Westens zur Einflussnahme ist – abgesehen von militärischer Gewalt – das Agieren über Stellvertreter. So versucht derzeit eine informelle Allianz aus USA, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten, eine politisch-diplomatische Übergangslösung zu installieren. Das Drehbuch ist bekannt: Nach einer dreimonatigen Waffenruhe und einer neunmonatigen Übergangsphase soll, wie aus einer Stellungnahme vom 12. September hervorgeht, eine Art Übergangsregierung sudanesischer »Zivilisten« von Washingtons Gnaden gebildet werden. Nicht überraschend hat Burhan solchen Regime-Change-Versuchen durch die Hintertür unter Verweis auf die »externe« US-israelische Agenda eine Absage erteilt.
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