Ringen um den Südlibanon
Von Karin Leukefeld
Im Schatten des Geschehens um Israel und westliche Pläne für das zertrümmerte Gaza drängen die USA und Israel den benachbarten Libanon weiter in die Enge. Im Fokus steht die libanesische Hisbollah, die entwaffnet werden soll. Dabei haben die israelischen Angriffe trotz der vor einem Jahr vereinbarten Waffenruhe nicht aufgehört.
In dieser Woche sprechen zahlreiche ausländische Politiker, Gesandte und Geheimdienste bei der Regierung in Beirut vor, um – wie es offiziell heißt – die Waffenruhe im Südlibanon und die staatliche Autorität dort zu sichern. Die US-Gesandte für die Region, Morgan Ortagus, und US-General Joseph Clearfield trafen am Montag in der libanesischen Hauptstadt ein, um an einem Treffen des Gremiums teilzunehmen, das die »Waffenruhe« überwachen soll. Ihm gehören Militärs aus den USA, Frankreich, Libanon, Israel und ein UNIFIL-Vertreter an. Auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abu Al-Gheit, und der ägyptische Geheimdienstchef Hassan Raschad werden erwartet. Letzterer hatte in den Tagen zuvor in Israel Gespräche geführt. Auch der US-Sonderbeauftragte für Syrien und Libanon, Tom Barrack, der zudem US-Botschafter in der Türkei ist, soll in den kommenden Tagen offenbar die Ankunft des neuen US-Botschafters im Libanon, Michel Issa, vorbereiten.
Wie Barrack ist der in Beirut geborene Issa weder Außenpolitiker noch Diplomat. Der in Frankreich ausgebildete Ökonom durchlief in New York und Paris eine Bankenkarriere und entwickelte »komplexe Finanzinstrumente«, wie es in seinem Lebenslauf auf der Webseite des US-Außenministeriums zu lesen ist. Er ist bekannt für seine langjährige persönliche Freundschaft mit US-Präsident Donald Trump, mit dem er regelmäßig Golf spielt.
Die US-Beauftrage Ortagus traf ebenfalls aus Israel kommend in Beirut ein. Dort hatte sie bei einem zweitägigen Aufenthalt unter anderem mit Verteidigungsminister Israel Katz die »Nordfront« besucht, wo Militärs das Vorgehen im Süden Libanons erläuterten. Israelischen und saudischen Medien zufolge soll Ortagus der libanesischen Regierung auch eine Botschaft aus Tel Aviv überbringen. Demnach werde Libanon nicht nur aufgefordert, die Hisbollah zu entwaffnen, sondern das Land müsse auch, falls das nicht umgehend geschehe, mit einem neuen israelischen Luftkrieg rechnen. Das hatte Barrack vor wenigen Tagen erklärt.
Ohnehin ignoriert Israel die seit November 2024 geltende Waffenruhe. Täglich werden Ziele im Libanon von Drohnen, Kampfflugzeugen oder Artillerie angegriffen. Dabei werden so gut wie alle Versuche der Libanesen, von Israel zerstörte Häuser, Gebäude, Werkstätten und zivile Infrastruktur wieder aufzubauen, von Bomben gestoppt. Ein Zementwerk, das für den Wiederaufbau produzierte, wurde komplett zerbombt. Auch die im Südlibanon wichtige Landwirtschaft – Obst, Trauben, Olivenhaine – sowie die Tabakernte werden zerstört. Allein in den vergangenen zehn Tagen wurden mehr als zehn Menschen gezielt getötet, die an Wiederaufbauarbeiten beteiligt oder in beruflicher oder privater Mission im Südlibanon unterwegs waren. Nach israelischen Quellen handelt es sich immer um Hisbollah-Militante, die man »neutralisiert« habe, um Gefahr abzuwenden. Belege werden nicht vorgelegt.
Am Sonntag wurde zudem ein Team der UN-»Blauhelme« direkt bedroht, wie die UNIFIL-Mission mitteilte. Eine israelische Drohne sei »in aggressiver Weise« über einer routinemäßigen Patrouille geflogen. Die »Blauhelme« hätten sich dann entschlossen, die Drohne abzuschießen, woraufhin ein Panzer die UN-Soldaten beschossen habe. Damit verletzten die Streitkräfte Israels die UN-Sicherheitsratsresolution 1701 und die Souveränität des Libanon und missachteten zudem die Sicherheit der »Blauhelm«-Truppen, hieß es in der UNIFIL-Erklärung. Israels Armeesprecher Avichai Adraee hingegen erklärte, die Drohne habe »keine Bedrohung« dargestellt. Außerdem habe die Armee nicht mit einem Panzer auf die UNIFIL-Einheit gefeuert, sondern »eine Handgranate in das Gebiet geworfen«.
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