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Aus: Ausgabe vom 27.10.2025, Seite 1 / Titel
USA gegen Venezuela

Armada gegen Caracas

USA haben weitere Kriegsschiffe auf den Weg nach Venezuela geschickt. Drohungen gegen Kolumbiens Regierung werden mehr
Von Volker Hermsdorf
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Unterwegs nach Venezuela: Der größte Flugzeugträger der Welt, »USS Gerald R. Ford«

Noch herrscht in der Karibik kein Krieg, doch militärische Drohgebärden der USA werden zu einer immer gefährlicheren Bedrohung für den Frieden. Am Freitag setzte US-Kriegsminister Pete Hegseth die »USS Gerald R. Ford«, den größten Flugzeugträger der Welt, mitsamt Geleitschiffen in Richtung Venezuela in Marsch. Am Sonntag folgte der Zerstörer »USS Gravely«. Zusätzlich agieren bereits rund 10.000 US-Soldaten, so viele wie seit 1989 bei der Invasion in Panama nicht mehr, sowie zahlreiche Kriegsschiffe, ein Atom-U-Boot und F-35-Flugzeuge in der Region. Laut Wall Street Journal flogen B1-»Lancer« und B52-Langstreckenbomber nahe des venezolanischen Staatsgebiets. Ins Fadenkreuz der Trump-Administration gerät neben der Regierung von Präsident Nicolás Maduro zunehmend Gustavo Petro, der linke Staatschef des Nachbarlandes Kolumbien.

Die offizielle Begründung für den beispiellosen Aufmarsch – angeblich zum Kampf gegen den Drogenschmuggel – bezweifeln mittlerweile selbst Politiker in den USA. »Wir stehen derzeit vor der größten Bedrohung seit über 100 Jahren«, erklärte Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino López. Die Spannungen nahmen noch zu, nachdem Trump die CIA anwies, »verdeckte Operationen« in Venezuela durchzuführen und eine Ausweitung der Anti-Drogen-Operationen vom Meer ins Binnenland ankündigte. »Wir bereiten uns auf einen Militäreinsatz vor und werden jeden Zentimeter unseres Territoriums verteidigen«, sagte Padrino am Wochenende zum Abschluss der dreitägigen Übung »Costa Independencia 200«. Bei den Manövern seien an der Küste des Landes 73 Stützpunkte zur Verteidigung eingerichtet worden. Padrino warf der US-Administration ein Vorgehen à la Vietnam vor und rief die Völker Lateinamerikas auf, sich zu wehren. Nach Angaben aus Washington hat das US-Militär bei Angriffen auf angebliche Drogenkuriere in der Karibik und im Pazifik bisher zehn Boote versenkt und mindestens 43 Menschen getötet.

Mit der martialischen Demonstration seiner Marine- und Luftmacht zielt Washington offenbar darauf ab, Maduros Regierung zu stürzen, deren Beziehungen zu China und Russland den Zugang zu den reichen Ressourcen des Landes versperren. Parallel dazu verschärfen die USA den Druck auf Kolumbiens Präsidenten Gustavo Petro. »Er ist ein böser Mann und produziert viele Drogen. Sie haben Kokainfabriken«, erklärte US-Präsident Trump. Er kündigte »sehr harte Maßnahmen« an. Am Freitag setzte das US-Finanzministeriums Gustavo Petro dann auf seine Sanktionsliste. Außenminister Marco Rubio bezeichnete die Maßnahme als »Reaktion auf die Handlungen eines ausländischen Staatsoberhauptes, das feindselig geworden ist«. Petro sieht darin eine Reaktion darauf, dass er sich »dem Völkermord in Gaza widersetzt« und gefordert habe, der »Geschichte der US-Invasionen in der Region ein Ende zu setzen«. Er warf den USA vor, den Kampf gegen den Drogenhandel »aus Gier nach Öl« zu instrumentalisieren.

Unterdessen riefen die Vereinten Nationen Trumps Regierung zur Zurückhaltung auf. Zehn ehemalige karibische Staatschefs forderten in einer gemeinsamen Erklärung den Rückzug der US-Truppen aus der Region. Und Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva übte anlässlich eines Treffens mit Trump beim ASEAN-Gipfel in Malaysia scharfe Kritik. »Wenn sich das durchsetzt, glaubt jeder, er könne in das Territorium des anderen eindringen, um zu tun, was er will«, sagte Lula laut TV Globo.

Hinweis: In einer vorherigen Version hieß es fälschlicherweise, dass US-Bomber über venezolanisches Territorium geflogen sind. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. Oktober 2025 um 10:59 Uhr)
    Die USA haben seit August acht Kriegsschiffe, zehn F-35-Kampfjets und sogar ein Atom-U-Boot in die Karibik entsandt. Offiziell heißt es, man wolle den Drogenhandel bekämpfen – doch dieser Aufmarsch wirkt eher wie eine Vorbereitung auf einen Krieg. Ist das wirklich ein Einsatz gegen Drogenkartelle, oder dient dieser Vorwand dazu, ein unliebsames Regime zu beseitigen? Vieles spricht für Letzteres. Donald Trump scheint zwei Ziele gleichzeitig zu verfolgen: den Kampf gegen den Drogenhandel und die Beseitigung von Nicolás Maduro. Ein »Doppelschlag« also – politisch und strategisch. Beobachter sprechen bereits von einer »zweigleisigen Trump-Doktrin für Lateinamerika«. Vordergründig gehe es um Sicherheit, Migration und den Drogenkampf, erklärt Jason Marczak vom Lateinamerika-Zentrum des Atlantic Council. Doch hinter den Kulissen steht weit mehr auf dem Spiel: der Einfluss Chinas in der Region – und vor allem Venezuelas riesige Erdölreserven. Venezuela besitzt die größten und qualitativ besten Ölreserven der Welt. Wer dieses Öl kontrolliert, kontrolliert Macht und Geld. Wenn Washington also wieder einmal »Demokratie und Sicherheit« ins Feld führt, geht es am Ende wohl um etwas ganz anderes: um Öl, Einfluss und geopolitische Vorherrschaft. Der Drogenkrieg ist nur die Verpackung. In Wahrheit geht es um Ressourcen, Kontrolle – und darum, wer in Lateinamerika den Ton angibt. Kurz gesagt: Es geht nicht nur um Venezuela, sondern um das, was unter Venezuela liegt – und um den Preis, den die Welt dafür zahlen wird.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (27. Oktober 2025 um 06:01 Uhr)
    Wo bleiben die Sanktionen der EU gegen den Aggressor – in dem Fall die USA? Diese sehr fadenscheinige Begründung des Kampfes gegen den Drogenschmuggel soll doch die Inbesitznahme der reichen Rohstoffvorkommen in der Region überdecken. Hat jemand bewiesen, dass in den versenkten Booten, und den damit getöteten Menschen, Drogen transportiert wurden? Ziel ist doch Folgendes: Die sich nicht der westlichen Wertepolitik beugenden Staaten sollen destabilisiert, besetzt und dann ausgebeutet werden. Alte US-Politik wie in den 1950er Jahren, z.B. in Guatemala oder 1973 in Chile. Diese Liste lässt sich fortsetzen mit Grenada, Panama, Nicaragua – allein wenn man Lateinamerika betrachtet. Und man will damit Staaten mundtot machen, die sich derzeit eher Russland und China verbunden fühlen. Und nicht zu vergessen – Kuba liegt auch in der Region. Der Blockadering um Kuba soll jetzt komplett geschlossen werden. Und dann? Playa Giron 2.0? Trump verfolgt damit ein Ziel – erst einmal den Hinterhof in seinem Sinne komplett neu ausrichten und dann geht es gegen den ausgemachten Hauptfeind – gegen die Volksrepublik China! Und dieser Präsident beansprucht den Friedensnobelpreis für sich? (…)
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Oliver S. aus Hundsbach (26. Oktober 2025 um 20:04 Uhr)
    Sollten Trump und sein Kriegsminister einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Venezuela mit all den furchtbaren Folgen für die Menschen und die wunderbare Natur dort anfangen, wäre ich dafür, sofort den Taurus an Maduro zu liefern. Vorwärts Frau Strack-Zimmermann, Roderich Kiesewetter und Norbert Röttgen! Das ist Ihre Chance! Ich schwöre Ihnen, dass, solange ich lebe, meine Erststimme immer an die CDU und die Zweitstimme an die FDP geht.

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