Zweischneidiges Schwert
Von Reinhard Lauterbach
Die Logik hinter den jetzt von der Trump-Administration verkündeten neuen Sanktionen gegen den russischen Ölsektor ist leicht nachzuvollziehen. »Rosneft« und »Lukoil« stehen für etwa die Hälfte des russischen Ölexports, und der wiederum steuert etwa ein Viertel zum russischen Staatshaushalt bei. Wenn die Sanktionen im vollen Umfang greifen, würde also kurzfristig ein Achtel der russischen Staatseinnahmen wegfallen. Zu vernachlässigen ist das nicht, aber der in der Ukraine und bei der EU herbeiphantasierte Zusammenbruch des russischen Staatshaushaltes ist das auch nicht. Was wahrscheinlich am meisten leiden wird, ist die sozialpolitische Strategie der russischen Regierung, die eigene Bevölkerung den Krieg möglichst wenig im eigenen Portemonnaie spüren zu lassen.
Aber ist das jetzt die »Bazooka«, aus der Trump gefeuert hat? Nicht unbedingt. Beziehungsweise nur dann, wenn vor allem die Sekundärsanktionen greifen, mit denen Trumps Regierung alle Unternehmen bedroht, die weiterhin Produkte von Lukoil und Rosneft handeln oder solche Deals als Banken oder Versicherer finanzieren. Und wenn sie das nicht tun? Was hat eine in Dubai registrierte Firma, die angeblich die russische »Schattenflotte« managt, auf dem US-Markt zu tun? Kommt sie nicht auch ohne ihn aus? Das neue Sanktionspaket aus Washington hat wie alle dort angezettelten Wirtschaftskriege genauso gut das Zeug, den Weltmarkt als Einheit weiter zu unterminieren. Der globale Ölmarkt könnte nach Ansicht westlicher Experten verrückt spielen, wenn dort wirklich kein russisches Öl mehr gehandelt wird. Keine Deals mehr in US-Dollar? Es gibt ja noch andere Währungen, zum Beispiel die chinesische. Und alle in Russland bisher eher diskret entwickelten Pläne, zentriert um den Renminbi ein neues, zur Dollarsphäre alternatives Weltfinanzsystem zu schaffen, dürften eher politischen Vorschub erhalten, wenn die USA die Rolle des US-Dollars als Weltgeld selbst einschränken, indem sie seinen Gebrauch in wachsenden Teilen der Welt selbst verbieten. Trump setzt auf das Trägheitsmoment: dass um den US-Dollar niemand herumkomme. Aber was, wenn doch?
Entscheidend dürfte sein, wie mit China und Indien die größten Ölkunden Russlands reagieren werden. Aus Indien berichteten US-Finanzmedien, die Regierung sei bereit, den Import russischen Öls um 50 Prozent zu reduzieren. Also nicht einzustellen. Ähnliches haben chinesische Raffineriebetreiber angekündigt: kein russisches Öl mehr auf dem Seeweg zubeziehen. Aber der Import über Pipelines läuft weiter. Wenn China und Indien sich jetzt auf dem Weltmarkt umsehen müssen, wie sie das russische Öl ersetzen, wird das die Preise nach oben treiben. Der globale Ölmarkt könnte verrückt spielen. Das wird sich sogar an den Tankstellen in den USA bemerkbar machen. Ob Trump mit den Sanktionen Russland konzessionsbereiter machen kann, wird ihm im Zweifelsfall egal sein, wenn ihm die eigene Basis wegbricht.
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