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Aus: Ausgabe vom 27.09.2025, Seite 8 / Ansichten

Den Donald geben

Von Jörg Kronauer
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Buy European: Das ist eine der Konsequenzen, die die EU-Kommission aus ihrer Niederlage im Zollkonflikt mit der Trump-Administration zieht. Bislang hatte sie darauf orientiert, den Rückgang bei den EU-Exporten in die USA durch eine Steigerung der Ausfuhr in andere Weltregionen aufzufangen. Daher der hektische Abschluss des Freihandelsabkommens mit Indonesien am Dienstag wie auch die eiligen Bestrebungen, das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur nach einem schlappen Vierteljahrhundert Verhandlungen schnellstmöglich in Kraft zu setzen. Doch auch wenn dieser Plan funktionieren sollte: Er wird nicht ausreichen. Vor allem nicht bei dem zu erwartenden Kollaps der Ausfuhr von Aluminium, Stahl und Produkten aus beiden, die die Vereinigten Staaten mit 50-Prozent-Zöllen fast auf Null bringen wollen. Es geht um 5,7 Prozent der EU – und sogar um 8,8 Prozent der deutschen Exporte in die USA.

Wie schlägt man Alu und Stahl und Produkte daraus in rauen Mengen los, wenn sie nicht mehr in die USA verkauft werden können? Nach Lage der Dinge kommt bei den anfallenden Volumina und den hohen Preisen der Produkte nur der eigene, der EU-Markt in Betracht. Also müssen konkurrierende, billigere Produkte aus dem Ausland – Trump macht’s vor – mit Zöllen von bis zu 50 Prozent draußen gehalten werden. Den Donald zu geben, das ist Teil eins des Plans, den Ursula von der Leyens Apparat in Brüssel ausgeheckt hat. Teil zwei: Eine Vergabe öffentlicher Aufträge soll künftig daran gekoppelt sein, dass zu ihrer Umsetzung Produkte aus der EU genutzt werden – Maschinen oder »grüner« Stahl aus der EU, europäische Elektroautos. Buy European eben. Dass etwa in Deutschland Hunderte Milliarden Euro für stahlfressende Waffen und für Infrastruktur ausgegeben werden sollen, passt perfekt ins Konzept.

Alles kein Problem also? Schön wär’s. Zum einen werden die neuen Zölle die globalen Handelskonflikte weiter verschärfen; das ist ganz besonders für Exportwirtschaften wie die deutsche echtes Gift. Zum anderen treibt die geplante Buy-European-Vorschrift die Preise nach oben: Wenn, sagen wir, die Deutsche Bahn zur Renovierung ihres Streckennetzes »grünen« Stahl aus Europa verwenden muss, wird die Sache teurer. Das mag in Zeiten des Aufschwungs, wenn man kleinere Unannehmlichkeiten locker wegsteckt, in Ordnung gehen. In Zeiten der Krise aber treibt jedes Hemmnis die Abwärtsspirale an. Die EU propagierte den Freihandel ja nicht aus einer Laune heraus, sondern weil er ihr höhere Profite versprach. Ohne ihn wird es für ihre Wirtschaft enger.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (28. September 2025 um 10:43 Uhr)
    Wie kam es überhaupt zu dieser Situation? Europa lag nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden. Die USA nutzten das geschickt aus: Mit dem Marshallplan investierten sie in Europa – aber nicht aus altruistischen Gründen. Sie ließen billig produzieren und zahlten mit frisch gedruckten Dollars, die nicht wie versprochen an Gold gebunden waren. In dieser Zeit verdiente ein Arbeiter in Detroit drei- bis viermal so viel wie ein Deutscher bei VW oder Daimler. Die Folge: massive Verlagerung von Produktion ins Ausland – eine kapitalistische Logik, die die USA selbst jahrzehntelang begünstigte. Heute zahlen sie dafür den Preis: Große Teile ihrer Produktion – sogar lebenswichtige Güter wie Medikamente – sind ausgelagert. Mit Zöllen lässt sich daran nichts ändern, solange der Dollar als Weltleitwährung überbewertet bleibt und global nachgefragt wird. Brüssels Plan, den »Donald zu geben« und europäische Zölle sowie Buy-European-Regeln einzuführen, ist bestenfalls ein kosmetischer Eingriff. Er wird die strukturellen Probleme nicht lösen, im Gegenteil: Er treibt die Preise hoch, belastet die Industrie und verschärft globale Handelskonflikte. Europa müsste stattdessen strategisch denken: Nicht dem US-Markt nachlaufen, sondern wirtschaftliche Beziehungen nach Osten ausbauen – pragmatisch, ohne ideologische Scheuklappen. Moderne Landverkehrswege machen diesen Schritt schneller und effizienter möglich als die alten Seehandelsrouten. Wer nur Zölle und Protektionismus im Kopf hat, übersieht die eigentliche Chance: Europa könnte selbst zum starken, unabhängigen Wirtschaftsraum werden, statt immer noch nur reflexartig auf Trump- oder Dollar-Manöver zu reagieren.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (26. September 2025 um 23:04 Uhr)
    Wieviel grüner Stahl wird in Europa a) jetzt und b) in fünf Jahren erzeugt? Mir sind gegenwärtig nur Pläne zum Ausstieg aus Plänen zur Grünstahlproduktion in Europa bekannt.

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