Konjunktur im Leerlauf
Von Ralf Wurzbacher
Hallo, Verbraucher! Kannst du es spüren? Einkaufen wird billiger – also vielleicht; und wenn überhaupt, dann auch nicht so bald. Aber freuen darfst du dich trotzdem, auf Verdacht. Am Montag vermeldete das Statistische Bundesamt einen Rückgang bei den Erzeugerpreisen. Zuletzt lagen diese um 1,7 Prozent unter dem Niveau vom September 2024, gegenüber August zeigte sich ein Minus von 0,1 Prozent.
Vor allem Energie ist demnach günstiger geworden: im Jahresvergleich 7,3 Prozent, Strom und Erdgas sogar jeweils rund zehn Prozent. Das wären »potentiell gute Nachrichten«, schrieb das Handelsblatt. Denn was die Hersteller produzieren, landet danach im Groß- und Einzelhandel und später auf dem Teller der Bürger, als Butter, Käse und Wurst. Die Statistik sei deshalb »ein früher Signalgeber für die allgemeine Inflation«, befand die Wirtschaftszeitung.
Oder auch nicht. Noch vor einer Woche hatte das Bundesamt eine seit zwei Monaten steigende Teuerungsrate vermeldet. 2,4 Prozent kostete das Leben im September mehr als ein Jahr davor. Dabei sind doch die Fertigungspreise zwischen August 2024 und August 2025 um 2,2 Prozent gesunken. Warum macht sich das nicht an der Ladenkasse bemerkbar?
Es passt zumindest ins Bild. Während Union und SPD sich mühen, den Aufschwung herbeizureden, spielt die Realität verlässlich nicht mit. Nun hat auch die Deutsche Bundesbank Hoffnungen auf eine baldige ökonomische Erholung gedämpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) »dürfte im dritten Quartal 2025 allenfalls stagniert haben«, heißt es in ihrem Monatsbericht für Oktober. Hauptgründe dafür seien die Schwäche der Industrie, die Krise der Autobranche und die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. »Besonders stark« sind demnach die nominalen Exporte in die USA zurückgegangen. Auch der private Konsum sei »weiter ohne Schwung«, erkennbar in einer gebremsten Anschaffungs- und einer stärkeren Sparneigung.
Nachdem das BIP im ersten Quartal noch um 0,4 Prozent zugelegt hatte, schrumpfte es zwischen Anfang April und Ende Juni im Vorjahresvergleich um 0,3 Prozent. Ende Oktober wird das Statistische Bundesamt erste Daten zur Wirtschaftsentwicklung im dritten Quartal bekanntgeben, und die Anzeichen mehren sich, dass die Talfahrt anhalten, bestenfalls ein Mini- oder Nullwachstum ermittelt wird. Läuft es ganz schlecht, müsste Europas größte Volkswirtschaft im dritten Jahr in Folge ohne zählbares Wachstum überwintern. Das »Handelsblatt Research Institute« gab am Montag die Richtung vor. Demnach brach die Industrieproduktion im August auf breiter Front ein: minus 4,3 Prozent gegenüber dem Juli. Bei Autos und Kfz-Teilen belief sich der Absturz sogar auf 18,5 Prozent, im Maschinenbau auf 6,2 Prozent. Dazu kommen neuerliche Abstriche beim Auftragsvolumen von 0,6 Prozent gegenüber Juli, nach zuvor schon drei Monaten mit rückläufigen Eingängen.
Derweil zeigt der Kapitalismus im internationalen Maßstab allerhand Dynamik. Im ersten Halbjahr erhöhte sich der globale Warenaustausch um 4,9 Prozent; für das Gesamtjahr rechnet die Welthandelsorganisation mit einem Plus von 2,4 Prozent. Das BIP Chinas legte von Juli bis September um 4,8 Prozent zu, wie das dortige Statistikamt am Montag mitteilte. Das markiert zwar einen leichten Abfall gegenüber dem ersten Halbjahr, erscheint von deutscher Warte aber wie ein Luxusproblem. Die Herbstprognose der Bundesregierung setzt auf ein BIP-Plus von kümmerlichen 0,2 Prozent für 2025. Aber dann soll es endlich wieder bergauf gehen, mit 1,3 Prozent und 1,4 Prozent in den kommenden beiden Jahren.
Ach ja: Das nominale – also nicht preisbereinigte – BIP hat das Bundeswirtschaftsministerium schon für dieses Jahr von zwei Prozent auf drei Prozent hochtaxiert, für 2026 auf 3,9 und für 2027 auf 3,7 Prozent. Offenbar geht man davon aus, dass die schuldenfinanzierten Ausgabenprogramme zu enormen Preiserhöhungen führen werden, insbesondere bei Bauleistungen und Rüstungsgütern. Was Rheinmetall freut, wird die Verbraucher einmal mehr teuer zu stehen kommen.
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