Merz nimmt nichts zurück
Von Kristian Stemmler
Angesichts steigender Umfragewerte ihres Hauptkonkurrenten an den Wahlurnen setzt die CDU-Spitze gegenüber der AfD nach gegenläufigen Wortmeldungen in der Vorwoche vorläufig noch einmal demonstrativ auf Abgrenzung. Bei den fünf Landtagswahlen im kommenden Jahr werde die AfD »unser Hauptgegner sein«, erklärte Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz am Montag gegenüber Journalisten in Berlin. Er hatte die am Sonntag gestartete zweitägige Klausur des Parteipräsidiums unterbrochen, um mit CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann über Zwischenergebnisse zu informieren.
Bei seinen Ausführungen wiederholte der Parteichef, was er vor der Klausur bereits gesagt hatte. Die AfD wolle »die CDU erklärtermaßen zerstören« und »ein anderes Land«, erklärte Merz. Beide Parteien seien in »grundsätzlichen Fragen« voneinander getrennt. So stelle die AfD etwa Grundentscheidungen der Bundesrepublik in Frage, die seit 1949 getroffen wurden. Darunter versteht der CDU-Vorsitzende vor allem die unbedingte »Westbindung« sowie den Beitritt zur Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund sei die »immer wieder von der AfD bemühte ausgestreckte Hand« eine, die die CDU »vernichten will«, stellte Merz fest. Deutlich machen diese Ausführungen wieder einmal: Es ist die unterstellte außenpolitische »Unzuverlässigkeit« der AfD, mit der die Union ein Problem hat, was sich unter anderem in dem am Wochenende durch Jens Spahn erneuerten Vorwurf verdichtet, die AfD sei eine »Putin-Partei«.
Merz ergänzte: »Wir werden der AfD jetzt auch inhaltlich sehr klar und sehr deutlich sagen, wo sie steht.« Die Union wolle der »Miesmacher-Rhetorik« der AfD ein anderes Bild und eine »erfolgreiche« Regierungspolitik entgegensetzen. Die Merz-CDU wolle »die bestimmende Kraft« bleiben.
In den Umfragen legte die AfD in den vergangenen Monaten immer mehr zu. Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt könnte sie 2026 als mit Abstand stärkste Kraft hervorgehen. Merz, der das vor allem gegenüber den eigenen Leuten relativieren muss, verwies darauf, dass solche Zahlen »volatil« seien und sich bis zu den Wahlterminen noch viel ändern könne.
Die Antworten von CDU und AfD auf die zur Grundfrage erhobene Migrationspolitik unterscheiden sich derweil höchstens noch im Tonfall. So bekräftigte der CDU-Vorsitzende seine zuvor viel kritisierte Äußerung, wonach Geflüchtete ursächlich für »Probleme im Stadtbild« seien. Auf die Frage, ob er die Bemerkung zurücknehme, erklärte Merz: »Ich habe gar nichts zurückzunehmen, im Gegenteil.« Dann fragte er zurück, ob der Fragesteller Töchter habe. Frauen würden sich in Städten nämlich spätestens mit Einbruch der Dunkelheit unsicher fühlen. Der pauschalen Diagnose dürfte die AfD zu 100 Prozent zustimmen.
Besonders im Osten will die CDU ihre Aktivitäten in der Fläche ausbauen. Generalsekretär Linnemann kündigte ein »Weiße-Flecken-Programm« an, das Anfang 2026 starten soll. Mit zusätzlichem Personal wolle die Partei vor Ort sein, wolle »Regionen wieder aktivieren, Menschen motivieren«. Begonnen werde das Programm mit Modellregionen in Sachsen-Anhalt – wo eine Umfrage für die AfD zuletzt einen Zustimmungswert von 40 Prozent ermittelte – und in Mecklenburg-Vorpommern. In beiden Ländern wird im September 2026 der Landtag jeweils neu gewählt. Schützenhilfe bekam Merz von CSU-Chef Markus Söder, der am Montag in München ans jüngere Publikum orientiert die Losung »AfD – no way« ausgab. Es sei »ganz klar«, dass sie der »Systemfeind« für die Union sei: »rechtsextreme Kaderpartei«, autoritär, »moskautreu«.
Auch zu Wort meldete sich am Montag Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke. Er könne sich eine Zusammenarbeit mit einer personell bereinigten AfD durchaus vorstellen. Die Partei müsste dafür aber »alle Extremisten, alle Neonazis, alle ehemaligen NPD-Mitglieder und viele andere, die diesen Staat verachten, die die Demokratie und die Freiheit verachten«, rausschmeißen, sagte Woidke in der Staatskanzlei zu Potsdam. Dies sei eine »ganz simple Aufgabe«.
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