»Ich wurde in einem Hinterzimmer geschlagen«
Interview: Ignacio Rosaslanda
Sie waren an Bord eines der Schiffe, die die illegale Seeblockade des israelischen Militärs durchbrechen und Hilfsgüter nach Gaza liefern wollten. Das Schiff wurde in internationalen Gewässern von israelischen Soldaten gekapert. Wie ist es Ihnen seit Ihrer Freilassung ergangen?
Mir geht es den Umständen entsprechend relativ gut. Es war das zweite Mal, dass ich mich an einem Durchbruchsversuch beteiligte. Ich dachte, ich kenne mich bereits etwas aus mit der Brutalität Israels. Aber ich hätte mir die Folter in Gefangenschaft niemals ausmalen können. Derweil ist offiziell die Rede von einem Waffenstillstand in Gaza. Aber die Bombardierung durch Israel geht trotzdem weiter, und in den israelischen Gefängnissen mit mehr als 11.000 politischen Gefangenen sterben weiterhin inhaftierte Palästinenser.
Was können Sie von der Behandlung der Besatzungsmitglieder durch Israel berichten?
Weil die deutsche Regierung diesen Völkermord aktiv unterstützt, sind deutsche Staatsbürger gezwungen, etwas zu tun, was eigentlich dieser Staat hätte machen müssen. Aber weil das nicht passiert, haben wir uns dieser Folter ausgesetzt und wurden auf unseren Booten bombardiert. Jedes Mal, wenn wir gefoltert wurden, habe ich gedacht: Wenn die mich als deutsche Staatsbürgerin so behandeln, was machen sie erst mit Palästinenserinnen und Palästinensern? Was wir durchgemacht haben, war nur ein Bruchteil dessen, was ihnen täglich angetan wird. Deshalb müssen wir weiter für die Rechte der Palästinenser kämpfen sowie für die Freilassung all dieser politischen Gefangenen.
Sie sind nicht die einzige deutsche Staatsbürgerin, die an Bord eines dieser Schiffe war. Wie hat sich die Bundesregierung Ihnen und den anderen gegenüber verhalten?
Vertreter der Regierung riefen bei uns an, wenn auch nicht mich persönlich. In E-Mails hieß es, es sei zu gefährlich und man könne die Angeschriebenen nicht schützen. Nach den Angriffen kam nichts weiter. Die Regierung sagt uns praktisch, was Israel macht, ist vielleicht nicht richtig, aber dann geht halt nicht hin.
In der Bundespressekonferenz hat ein Regierungssprecher auf Nachfrage gesagt,man wisse aktuell nichts von Misshandlungen in israelischer Gefangenschaft.
Als Organisatorin habe ich sofort mit jemandem vom deutschen Konsulat gesprochen und berichtet, was auf den Schiffen und in Gefangenschaft passiert ist. Dass wir von Itamar Ben-Gvir aufgesucht wurden, dass uns Handschellen angelegt wurden und dass wir mit dem Kopf zwischen den Knien ausharren mussten, so, dass die Nase den Boden berührte, und wir auch nicht hochschauen durften. Ich wurde in ein Hinterzimmer gezerrt und dort geschlagen, als wir in Ashdod festgehalten wurden. Auch davon habe ich dem Konsulat berichtet. Dem Vertreter vor Ort habe ich meine blauen Flecke am Körper gezeigt. Unseren Angehörigen gegenüber hat er danach behauptet, es seien gar nicht so viele blaue Flecke.
Was hat der israelische Minister Ben-Gvir zu Ihnen gesagt?
Er kam auf mich zu, hat mich angeschaut und auf englisch gesagt »Sie sind ein Terrorist, und Sie werden wie ein Terrorist behandelt.« Das wurde gefilmt. Noch während der Fahrt mit der Flottille las ich, dass Israel die Todesstrafe für inhaftierte »Terroristen« wiedereinführen will. Das war der Moment, wo ich ein bisschen die Hoffnung verloren habe. Wir haben uns immerhin ausgesucht, diese Fahrt anzutreten. Die Palästinenser, die Israel gefangenhält und foltert, können sich das nicht aussuchen.
Wie ernst nehmen Sie den »Friedensplan« von US-Präsident Trump?
Wir reden hier über ethnische Säuberung, Apartheid, einen langsamen Völkermord. Wir reden über Millionen vertriebene Palästinenser. Wir reden über Tausende politische Gefangene. Menschen, die zu Tode vergewaltigt werden. Das ist nicht alles erst seit dem 7. Oktober 2023 passiert. Dieser 20-Punkte-Plan ist der nächste Schritt zur Kolonialisierung Gazas.
Yasemin Acar war an dem Versuch beteiligt, die Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Ammar Awad/REUTERS20.10.2025
Zweierlei Recht
- Evelyn Hockstein/Pool/REUTERS18.10.2025
Kein Platz für Palästina
- Global Sumud Flotilla/Handout via REUTERS18.10.2025
»Es gab keine Hilfeleistungen für uns«
Mehr aus: Ausland
-
Suche nach Kriegsvorwand
vom 20.10.2025 -
Gazakrieg unter neuem Namen
vom 20.10.2025 -
Korb für Selenskij
vom 20.10.2025 -
Zweierlei Recht
vom 20.10.2025 -
Eine Revolutionärin kehrt zurück
vom 20.10.2025 -
Unerschrockener Protest
vom 20.10.2025 -
Atomdeal abgelaufen
vom 20.10.2025