Kein Platz für Palästina
Von Helga Baumgarten, Jerusalem
Bilder unvorstellbarer Zerstörung aus Gaza, Bilder der Verzweiflung von Menschen und ihrer Trauer über den Verlust fast der gesamten Familie – ununterbrochen werden wir damit konfrontiert. Immer neue Berichte aus der Westbank von Siedlern, die Dörfer angreifen, Fenster einschlagen, Autos in Brand setzen – manchmal ganze Häuser anzünden, schießen, verletzen und oft töten. Die Armee, wie es sich für ein siedlerkolonialistisches Regime gehört, spielt mit. Inzwischen leben ja viele Soldaten in den Kolonien, die sich immer weiter ausdehnen in »Judäa und Samaria«. Und die Brutalität nimmt zu. Soldaten und Siedler toben sich nach ihren Verbrechen in Gaza jetzt auch in der Westbank aus.
Israel ist laut Gesetz seit 2018 ausschließlich für jüdische Israelis, da gibt es nichts dran zu rütteln. Palästinenser haben dort keinen Platz, from the river to the sea. Das hat Theodor Herzl schon sehr vorsichtig, aber klar formuliert: Der jüdische Staat steht für die Zivilisation, unterstützt von europäischen Kolonialstaaten, die natürlich auch die Zivilisation repräsentieren. Die Einheimischen – eigentlich sind sie das natürlich nicht – werden still und leise als »Barbaren« abgeschoben. 1948 geschah das zwar nicht still und leise, aber weitgehend ohne jede Reaktion aus Europa oder den USA. 1948 ging es darum, für die Überlebenden der deutschen Judenvernichtung einen Staat zu schaffen. Die Palästinenser spielten dabei keine Rolle und wurden beim Teilungsbeschluss der neu geschaffenen UNO gleich gar nicht angehört. 1967 dann der entscheidende israelische Erfolg: Das gesamte Land, from the river to the sea, wurde unter volle Kontrolle gebracht. Und diese dauert bis heute an: israelische Souveränität de facto, möglicherweise auch bald de jure, wenn es nach Minister Bezalel Smotrich geht.
Für den durchschnittlichen israelisch-jüdischen Bürger – für die Palästinenser, die 1948 zu Bürgern, wenn auch zweiter Klasse, gemacht wurden, gilt das natürlich nicht – existieren Palästinenser überhaupt nicht. Wahrgenommen werden sie ausschließlich als »Terroristen« oder, im Falle von Gaza, noch zusätzlich als »menschliche Tiere«.
Als Trump in der Knesset seinen »Friedensplan« proklamierte, protestierten zwei Abgeordnete des Linksbündnisses Chadasch, Ayman Odeh und Ofer Cassis. Sie hatten eine klare Forderung, die inzwischen weltweit erhoben wird: Erkennt Palästina an! Sie wurden sofort aus dem Parlament entfernt, was der US-Präsident mit lobenden Worten, wie effektiv das geschehen sei, registrierte. Er hofft sicher, so bald auch in Washington gegen Kritiker seiner zusehends faschistischen Politik vorgehen zu können.
Die Presse spielt fast unisono mit. Auch die liberale Zeitung Haaretz – abgesehen von Amira Hass, Hanin Majadli oder Gideon Levy. Am Donnerstag war zu lesen, was die für Israel entscheidende Konsequenz der Beendigung des Gazakrieges sei – von Völkermord ist nicht die Rede: Der Steuerzahler könne aufatmen, da Israel durch die Freilassung von 2.000 Gefangenen Millionen Schekel spare. Und dann wird nachgerechnet: Ein palästinensischer Gefangener koste den Staat etwa 250.000 Schekel jährlich, umgerechnet circa 65.000 Euro. Dann der bedauernde Satz: Für die verbliebenen Gefangenen müsse Israel weiter drei bis 3,5 Milliarden Schekel jährlich ausgeben. Der naive Leser überlegt sich, warum dann nicht einfach all diese so teuren palästinensischen Gefangenen freigelassen werden. Aber da hört das Sparen auf, beginnen siedlerkolonialistische Argumente: Wer kein braver Untertan ist oder am besten gleich das Land verlässt, muss eingesperrt werden. Für Palästinenser gibt es keinen Platz, Palästina darf nicht sein – from the river to the sea.
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