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Aus: Ausgabe vom 18.10.2025, Seite 7 / Ausland
Frankreich

Ultrareiche werden verschont

Frankreich: Sozialdemokraten retten Premier und bekommen Quittung für »Verrat«
Von Hansgeorg Hermann
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Die sogenannte Rentenreform hat Lecornu aufgeschoben, aber nicht aufgehoben (Paris, 16.10.2025)

Der neue »starke Mann« in Frankreich heißt Sébastien Lecornu. Seit der Premier am Donnerstag zwei Misstrauensvoten überlebt hat, wenn auch nur knapp, sehen ihn die Medien des Landes als den Politiker, der nicht nur seine zerbrechliche rechte Minderheitsregierung gerettet hat, sondern auch die restlichen eineinhalb Jahre der Präsidentschaft Emmanuel Macrons. Was die Innenpolitik betrifft, wird der Staatschef seinem früheren engen Vertrauten, der sich offensichtlich von ihm gelöst hat, kaum noch Vorschriften machen können. Auch Lecornus Retter, die Sozialdemokraten des Parti Socialiste (PS), präsentieren sich seit ihrem Ausstieg aus dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) in Siegerpose. Indem sie den Sturz seiner Regierung abwendeten, scheinen sie Lecornu in der Rentenfrage zum Einlenken bewegt zu haben. Davon beflügelt, wollten sie dem Premier auch noch eine Reichensteuer abringen.

Eine »Wette« auf den Erfolg dieser Strategie hatte PS-Chef Olivier Faure den Bruch mit den bisherigen Partnern La France insoumise (LFI), Grüne (ES) und Kommunisten (PC) vor der entscheidenden Abstimmung in der Nationalversammlung genannt. »Verrat« nannte ihn LFI-Fraktionschefin Mathilde Panot nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Nur 18 Stimmen hatten dem LFI-Antrag gefehlt, um auch die vierte Regierung seit den Parlamentswahlen im Juli 2024 nach wenigen Tagen zu erledigen. Dass sich Panots Credo und das der Grünen – auch Lecornu wolle sich nicht vom »Macronismus«, der wirtschaftsliberalen »Politik für die Reichen«, verabschieden – als richtig erweisen würden, deutete sich bereits am Donnerstag an. Befragt nach der vom PS als eine der entscheidenden Bedingungen für sein Wohlverhalten gegenüber Lecornu genannten »harten Besteuerung« der »Ultrareichen« gab es seitens des PS-Abgeordneten Laurent Baumel nur eine seichte Antwort: Es müsse »nicht unbedingt eine Zucman-Steuer« sein.

Gabriel Zucman, das zur Erklärung, ist jener französische Ökonom, nach dessen Rechnung eine Steuer von lediglich zwei Prozent auf die Vermögensmasse der Milliardäre dem französischen Staat bis zu 25 Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr verschaffen könnte. Ein entsprechendes Gesetz war zwar bereits im Februar in der Nationalversammlung verabschiedet, in der zweiten Parlamentskammer im Juni aber zurückgewiesen worden. Der von der Rechten dominierte Senat dürfte zunächst auch einem zweiten Versuch im Weg stehen. Bernard Arnault, Chef des Luxuskonzerns LVMH sowie Freund, Berater und Unterstützer Macrons, ist Symbol für den bislang erfolgreichen Widerstand des Kapitals gegen die »unsinnige Idee«, den reichsten Familien etwas mehr wegzunehmen, als sie zu geben bereit sind.

Nicht nur die vorerst lediglich von Lecornu als Angebot ausgegebene »Suspendierung« von Macrons wichtigstem Projekt, der »Rentenreform«, bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2027 steht also im Fokus der kommenden Beratungen über den Staatshaushalt für 2026. Dass das mit rund 3,3 Billionen Euro verschuldete Land »endlich sparen« müsse, scheint – im Gegensatz zu den Milliardengeschenken, die Macron in seinen bisher sieben Präsidentschaftsjahren an das Kapital verteilte – auch Lecornus vorläufiger Leitfaden zu sein. Sein Haushaltsentwurf für 2026, der sich weitgehend mit dem seines wirtschaftsliberalen Vorgängers, des im September gestürzten François Bayrou, deckt, gibt das allerdings nicht her. »Sparen« will Lecornu als »guter Rechter« wohl vor allem im Sozialbereich – bei den Dienstleistungen des Staates für seine Bürger.

Was die Reichensteuer betrifft, zu der sich Lecornus neue sozialdemokratische Freunde so vorsichtig äußern, erklärte der Ökonom Zucman selbst auf X: Bisher zu erkennen sei »die Besteuerung einiger Limousinen und einiger vergessener Bankkonten«. Im übrigen habe der Premier aber »alles getan, um Bernard Arnault und die übrigen französischen Milliardäre zu verschonen«. Ein Anhaltspunkt zumindest für den PS und die kommenden Beratungen des Haushalts, der spätestens am 31. Dezember vom Tisch sein muss.

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