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Aus: Ausgabe vom 17.10.2025, Seite 7 / Ausland
Peru

Barrikaden in Lima

Peru: Ein Toter und Dutzende Verletzte durch Polizeigewalt bei Protesten gegen neu eingesetzten rechten Präsidenten Jerí
Von Volker Hermsdorf
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Nicht nur sie fordern einen tiefgreifenden Wandel: Indigene Frauen protestieren am Mittwoch in Lima

Die Lage in Peru gleicht nach Amtsantritt des rechten Präsidenten José Jerí der Situation in einem Polizeistaat. Seit Tagen gehen in der Hauptstadt Lima und in anderen Teilen des Landes Tausende Menschen gegen den erst vor einer Woche von einer rechten Parlamentsmehrheit ins Amt gehievten Staatschef und dessen Übergangsregierung auf die Straße. Die vor allem von jungen Menschen angeführten Demonstrationen richteten sich auch gegen die beispiellose Zahl von Morden und Erpressungen im Zusammenhang mit organisiertem Verbrechen. Am Mittwoch eskalierte die Lage. Vor dem Kongressgebäude setzte die Nationalpolizei Tränengas und Schrotmunition gegen Demonstranten ein, die ihrerseits versuchten, Absperrungen niederzureißen und Barrikaden in Brand zu setzen. Die Einsätze forderten über 100 Verletzte. Bereits in der Nacht zuvor war ein Todesopfer zu beklagen. Mit der Repression reagiert die Regierung auf die Proteste gegen die als korrupt empfundene politische Elite, zu denen Gewerkschaften, Studenten und soziale Bewegungen aufgerufen hatten.

Der ehemalige Parlamentspräsident Jerí von der rechtskonservativen Partei Somos Perú war am vergangenen Freitag zum Staatschef ernannt worden, nachdem seine Vorgängerin wegen »moralischer Unzulänglichkeit« des Amtes enthoben worden war. Bereits die Amtszeit der durch einen Putsch an die Macht gelangten Dina Boluarte war von heftigen Protesten überschattet, die die Polizei mit Gewalt niederschlug. Menschenrechtsorganisationen zufolge kamen Hunderte Menschen dabei ums Leben. Wie Boluarte ist auch der neue Amtsinhaber ein eng mit den mächtigen Eliten verbundener Politiker. Gegen ihn wurde seit 2021 wiederholt wegen Korruption, Verbindungen zum Drogenhandel und sexueller Straftaten ermittelt. Seine am Dienstag vereidigte, überwiegend aus ultrarechten Politikern bestehende Regierung – selbst tief in Skandale verstrickt – steht für eine neoliberale, reaktionäre Agenda.

Jerí warf den Demonstranten vor, »nur Chaos« anzustreben. Der neue Ministerpräsident Ernesto Álvarez von der Christlichen Volkspartei hetzte bereits im Vorfeld gegen die angekündigten Proteste und unterstellte deren Aktivisten Verbindungen zum Terrorismus. Innenminister Vicente Tiburcio Orbezo, ein pensionierter Polizeioffizier, ordnete die brutalen Einsätze an. Die Botschaft der neuen Machthaber ist offensichtlich: Wer sich der nicht gewählten Regierung widersetzt, wird kriminalisiert und niedergeknüppelt.

Doch die Proteste werden trotz staatlicher Gewalt fortgesetzt. Sie sind Ausdruck eines tief sitzenden Zorns über die politische Klasse, die das Land seit Jahren als Selbstbedienungsladen behandelt. »Viele Leute in Peru gehen nur in die Politik, um Immunität für ihre kriminellen Geschäfte zu erlangen«, erklärte etwa der Journalist und Soziologe Eland Vera im jW-Interview. Seit dem parlamentarischen Staatsstreich gegen den linken Expräsidenten Pedro Castillo im Jahr 2022 befindet sich das Land in einer anhaltenden politischen Krise; Korruption, Gewalt und Unsicherheit nehmen zu. Jerí ist seit 2016 bereits das achte Staatsoberhaupt, allein drei wurden vom Kongress abgesetzt. Die Protestmärsche gegen ihn beschränken sich nicht auf Lima; auch in Städten wie Arequipa, Cusco, Puno und an anderen Orten gehen neben jungen Leuten auch Angehörige der indigenen Bevölkerung und Transport- und Minenarbeiter auf die Straße. Sie fordern nicht nur den Rücktritt Jerís, sondern grundlegende Veränderungen und eine politische Neuausrichtung. Für die kommenden Tage sind weitere Aktionen und ein Generalstreik angekündigt.

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