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Aus: Ausgabe vom 15.10.2025, Seite 2 / Ausland
Korruption in Peru

»Viele wollen sich eine weiße Weste holen«

Peru: Auf die vom Parlament abgesetzte Präsidentin Boluarte folgt mit José Jerí ein ähnlich eng mit den Mächtigen verbundener Politiker. Ein Gespräch mit Eland Vera
Interview: Thorben Austen
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José Jerí Oré wird mit einer Zeremonie ins Amt als neuer peruanischer Präsident eingeführt (Lima, 10.10.2025)

Vergangene Woche hat das Parlament in Peru die Amtsenthebung von Dina Boluarte beschlossen, die nach dem Putsch gegen ihren Amtsvorgänger Pedro Castillo das Präsidentenamt ausübte. Ist das ein Erfolg für die sozialen Bewegungen, die das immer gefordert hatten?

Das ist durchaus ein Erfolg für die Bewegungen, mehr für die Würde als für die Demokratie. Aber der jetzt vom Parlament ernannte José Jerí Oré ist das Gleiche, ein Vertreter der korrupten Elite. Er ist jung, kam als Nachrücker ins Parlament. Er suchte die Nähe zum mächtigen Sektor, hat Verbindungen zum Drogenhandel und zu Prostitutionsnetzwerken, gegen ihn wurde unter anderem wegen Vergewaltigung ermittelt. In seiner Rhetorik und seinen ersten Amtshandlungen erinnert er sehr an Nayib Bukele in El Salvador. Die ganze Situation im Parlament lässt sich aber nur verstehen, wenn man sich die spezielle politische Kultur in Peru vor Augen führt.

Wie meinen Sie das?

Viele Leute in Peru gehen nur in die Politik, um Immunität für ihre kriminellen Geschäfte zu erlangen, sich eine weiße Weste zu holen oder ihre kriminellen Geschäfte über die Politik noch auszubauen. Das betrifft aber auch die Linke, wenn auch weniger ausgeprägt als die Rechte und Ultrarechte. Die linke Partei Perú Libre von Castillo hat aber auch Korruptionsskandale.

Für diesen Mittwoch ist ein Generalstreik angekündigt. Welche Rolle spielen die sozialen Bewegungen?

Es gibt drei Bereiche, die wichtig sind. Im städtischen Umfeld ist es die Protestbewegung um die »Generation Z«, junge Leute, die sehr gut moderne Techniken und Kommunikationsmethoden beherrschen. Dann sind es indigene Frauen aus den Anden, die sehr selbstbewusst in den Protesten seit 2022 auftreten. Als dritter Bereich die Minenarbeiter, wobei ich hier vor allem den informellen, nichtindustriellen Bergbau meine.

Am Montag wurden abschließend die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen am 12. April 2026 bekanntgegeben. Wer tritt an?

Es gibt über 40 Kandidaten. In Peru herrscht Wahlpflicht, aber 47 Prozent der Wähler geben aktuell an, leere oder ungültige Stimmzettel abgeben zu wollen. Aussichtsreiche Kandidaten der Rechten sind der Exbürgermeister von Lima, Rafael López Aliaga, der Komiker Carlos Álvarez, auch Keiko Fujimori, Tochter von Exdiktator Alberto Fujimori, hat Chancen. In der Mitte ist Alfonso López-Chau ein wichtiger Kandidat, der als Universitätsdirektor im Januar 2023 während der großen Proteste gegen den Putsch und der berühmten Einnahme von Lima den Mut hatte, eine Delegation der Demonstranten zu empfangen. In der Linken gibt es verschiedene Kandidaten. Die Allianz Venceremos will ihre erst im November intern wählen.

Vereint tritt die Linke nicht an?

Die Linke in Peru ist ein einziges Mal in ihrer Geschichte vereint angetreten, das war zur erfolgreichen Kandidatur von Alfonso Barrantes als Bürgermeister von Lima 1983. Das Normale ist Fragmentierung, jeder Generalsekretär einer linken Partei hielt sich in den 1980er und 1990er Jahren für den Lenin Perus. Die Rechte tritt allerdings genauso zerstritten an.

Der inhaftierte Expräsident Pedro Castillo hat vergangene Woche auf der Plattform X mitgeteilt, die sozialen Bewegungen würden die ihm anvertraute Regierung wiederherstellen. Ist das realistisch?

Präsident Castillo hat weiter seine Akzeptanz im Land, das ist unbestritten. Eine erneute Kandidatur, die seine Haftentlassung voraussetzen würde, halte ich aber für eine wenig wahrscheinliche Option. Dennoch, er ist eine Ausnahmeerscheinung in der peruanischen Politik. Nicht, weil er vom Land kommt, da gibt es viele, sondern weil er dort auch mit Beginn seiner politischen Karriere weiter lebte. Er war Dorfschullehrer in der Provinz und hat sein Stück Land beackert. Das ist etwas Besonderes in einem rassistischen Land wie Peru. Und der Rassismus ist nicht nur auf die Rechte beschränkt. Es gibt immer auch Linke, die die Indigenen und die Landbevölkerung verachten.

Eland Vera ist Journalist und Soziologe. Er lehrt an verschiedenen Universitäten in Peru und schreibt regelmäßig über die politische Situation in dem Andenstaat

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