Israel sucht Vorwand
Von Ina Sembdner
Das Töten und Hungern im Gazastreifen geht weiter: Am Donnerstag wurden nach Angaben der palästinensischen Agentur WAFA zwei Brüder bei einem israelischen Luftangriff nahe Khan Junis in der südlichen Enklave getötet. Das stelle den jüngsten Verstoß gegen das Waffenruheabkommen dar, hieß es. Ein hochrangiger Hamas-Vertreter warf Israel laut Reuters vor, die Waffenruhe zu missachten, weil es seit Inkrafttreten vergangenen Freitag mindestens 24 Menschen erschossen habe, und sagte, eine Liste solcher Verstöße sei den Vermittlern übergeben worden. »Der Besatzungsstaat arbeitet Tag und Nacht daran, das Abkommen durch seine Verstöße vor Ort zu untergraben«, sagte er. Vom israelischen Militär hatte es zuvor geheißen, dass einige Palästinenser sich trotz Warnungen zu sehr den israelischen Posten an den Waffenstillstandspositionen genähert hätten, und dass Soldaten »das Feuer eröffnet hätten, um die Bedrohung zu beseitigen«.
Und während sich die ultrarechte israelische Führung bereits auf die Fortführung des Krieges unter einem passenden Vorwand vorbereitet, wird die Lage angesichts vermeintlich vorenthaltener Leichen israelischer Gefangener in Washington deutlich rationaler bewertet. Zwei Berater von US-Präsident Donald Trump, die namentlich nicht genannt werden wollten, bekräftigten laut Times of Israel bei einem Presse-Briefing am Mittwoch: »Wir haben viele Leute sagen hören: ›Die Hamas hat gegen die Vereinbarung verstoßen, weil nicht alle Leichen zurückgegeben wurden.‹ Die Vereinbarung, die wir mit ihnen getroffen hatten, lautete, dass wir alle lebenden Geiseln befreien würden, und daran haben sie sich auch gehalten.« In der im Anschluss an die Rückgabe zweier weiterer Leichname Mittwoch nacht veröffentlichten Erklärung der Hamas, hieß es, dass die Suche nach den Überresten der noch vermissten 19 Verstorbenen »großen Aufwand und spezielle Ausrüstung« erforderten. »Wir unternehmen große Anstrengungen, um dieses Problem zu lösen.« Wie die Medienbehörde in Gaza am Donnerstag laut Al-Dschasira mitteilte, befinden sich in dem großflächig zerstörten, 350 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen 65 und 70 Millionen Tonnen Schutt und Trümmer. In der Mitteilung wurde Israel vorgeworfen, die »Einfuhr der für die Bergung der Leichen der Opfer erforderlichen Materialien und Maschinen« vorsätzlich zu behindern.
Darüber hinaus warnte die Organisation Handicap International davor, dass nicht explodierte Kampfmittel eine »massive Gefahr« für Vertriebene darstellten, die in ihre Häuser zurückkehren. Sie gehen von 70.000 Tonnen Sprengstoff aus, die seit dem 7. Oktober 2023 auf den Gazastreifen abgeworfen wurden. Laut der Medienbehörde gebe es 20.000 nicht explodierte Kampfmittel, die »spezielle technische und sicherheitstechnische Maßnahmen« erforderten, bevor mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen werden könne.
Gemäß dem Abkommen soll Israel für jeden Leichnam, den es erhält, die sterblichen Überreste von 15 in israelischer Gefangenschaft getöteten Palästinensern übergeben. Bestätigt wurde am Donnerstag, dass seit Montag 120 Leichname überstellt wurden. Die von den israelischen Behörden unidentifiziert übergebenen Körper lieferten demnach »eindeutige Beweise für Hinrichtungen vor Ort und brutale Folter«. Gefordert wird die Einrichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission, »um diese abscheulichen Verbrechen zu untersuchen«.
Aber es gibt auch Lichtblicke: Trotz der noch immer von israelischen Behörden deutlich verzögerten Einfuhr von Hilfsgütern, konnten mit den Lieferungen des Welternährungsprogramms die ersten Bäckereien am Donnerstag nach Monaten der Totalblockade wieder frisches Brot backen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (18. Oktober 2025 um 13:02 Uhr)Die Behauptung, dass die Hamas Leichen israelischer Geiseln willentlich vorenthalte, entbehrt jeder Grundlage. Laut https://de.euronews.com/2025/10/15/israels-hamas-leiche-geisel enthält die Waffenstillstandsvereibarung vielmehr »eine Klausel, wonach die Hamas Informationen über die verstorbenen Geiseln weitergeben und versuchen sollte, alle Geiseln so bald wie möglich auszuliefern, falls sie nicht in der Lage sein sollte, sie bis zum Ablauf der Frist zurückzugeben«. Es ist doch ganz klar, dass die israelischen Bomben auch Geiseln treffen konnten und dass diese dann unter Trümmern unerreichbar begraben liegen. Die Hamas hat zumindest (https://de.euronews.com/2025/10/16/streit-um-ruckgabe-der-leichen-israel-und-trump-drohen-hamas-mit-wiederaufnahme-der-kampfe) »Bilder von 32 nicht identifizierten Leichnamen« veröffentlicht, viele der Leichen seien »verwest oder verbrannt. Einige fehlten Gliedmaßen oder Zähne, während andere mit Sand und Staub bedeckt waren«. Wo Israel im Gazastreifen für Mangel an Wasser und Energie und für viel Zerstörung gesorgt hatte, kann man wohl kaum erwarten, dass dort in 100prozentig katalogisierter Ordnung alle Leichen sauber gewaschen in Kühlhäusern lagern. Man fühlt sich an die Vorwürfe erinnert, dass früher übergebene Geiseln ziemlich ausgehungert ausgesehen hatten. Als ob es nicht die Israelis selber gewesen wären, die im Gazastreifen für Hunger gesorgt hatten.
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