Banderismus in Wien
Von Susann Witt-Stahl, Wien
Ukrainische Rechte haben am Sonnabend mit »Unser Vater Bandera«-Gesängen in Wien gegen eine Veranstaltung der Zeitung der Arbeit protestiert. Dazu aufgerufen hatte der ukrainische Verein Mrija. Ihn störte die von der Partei der Arbeit organisierte Präsentation des Buchbandes »Der Bandera-Komplex«, den er als Feindpropaganda schmäht. Mit der »Blut-und-Boden«-Fahne des Bandera-Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) wurden angebliche Geschichtsfälschungen über die »Helden« der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) – erwiesenermaßen Hitlerkollaborateure, Polen- und Judenschlächter – angeprangert.
Mrija organisiert seit Jahren Bandera-Gedächtnismärsche zum Geburtstag des OUN-Führers, sogar vor dem österreichischen Nationalparlament und mit Genehmigung der Versammlungsbehörde. Im »Mekka der ukrainischen Nationalbewegung« – die OUN wurde 1929 in Wien gegründet – hat die Organisation einen »Informationskampf gegen die Schweinehunde« ausgerufen. Folglich inszenierte Mrija 2022 ukrainische Soldaten als Befreier Wiens im Zweiten Weltkrieg. Das entspricht der Propaganda der Selenskij-Regierung, die die »Ukrainische Front«, eine Teilstreitkraft der Roten Armee, fälschlicherweise als Armeeeinheit von Ukrainern darstellt. Diese Erzählung übernahm auch der damalige österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Nur konsequent, dass Mrija, dessen Aufrufe zu Kundgebungen etwa anlässlich Feiertagen der ukrainischen Nationalisten regelmäßig Tausende folgen, das Monument zur Erinnerung an die rund 17.000 in der Schlacht um Wien gefallenen Rotarmisten auf dem Schwarzenbergplatz zum »Denkmal der Vergewaltiger« erklärt hat. Ziel solcher ideologischer Verrenkungen ist, die Kernforderung »volle politische Unterstützung statt politischer Neutralität!« durchzusetzen und Österreich in den Ukraine-Krieg hineinzuziehen.
Als Bandera-Lobbyorganisation arbeitet Mrija mit dem Netzwerk des wiederbelebten und von der OUN-B geführten »Anti-Bolshevik Bloc of Nations« (ABN) zusammen (gegenwärtig firmiert er unter dem Namen »Anti-imperial Bloc of Nations«). Ende September 2025 empfing Mrija prominenten Besuch: Oleg Medunizja, internationaler Führer der OUN-B und des ABN, stellte mit der Vertretung der »Tschetschenischen Republik Ichkeria« ein »Menschenrechtsprojekt« für »politische Gefangene« der von Russland »versklavten Völker« vor. Medunizja leidet, wie alle ukrainischen Faschisten, an historischer Amnesie, will bis heute nichts von der Beteiligung der OUN am Holocaust wissen und erinnert sich lediglich an ein »kompliziertes Verhältnis« zu den Juden. Ebenso Mrija, die den einstigen Kommandeur des Bataillons »Nachtigall« der Deutschen Wehrmacht, Roman Schuchewitisch, als Freiheitskämpfer und die ukrainische Armee als »neue UPA und OUN« feiert. »Der Krieg wird erst enden, wenn das Terroristenland verschwindet und das Gefängnis der Völker in einzelne Staaten mit ihren eigenen Nationalitäten zerfällt«, predigt Karioti. Er zitiert auch den liberalen ukrainischen Politiker Jurij Gudimenko, der 2019 die von Neonazis geführte »Widerstandbewegung gegen Kapitulation« gegen die Umsetzung des Minsk-II-Friedensabkommens unterstützte, Russen für »Monster« hält und eine »bis an die Zähne bewaffnete Ukraine« beschwört.
Das offene Bekenntnis zum Banderismus und die Geschichtsklitterungen der Organisation halten die etablierten Parteien in der Donaumetropole keineswegs von einer Kooperation mit Mrija ab. So traten Vertreter der Neos, zu deren Wahl die ukrainischen Faschisten aufrufen, der SPÖ, ÖVP und Grünen gemeinsam mit ihr beim »Marsch des Lichts« 2024 auf, der sich unter anderem gegen die »Kriegsmüdigkeit in Europa« richtete. Neben der ukrainischen Botschaft und Selenskijs Marketingplattform »United 24« sind auf ihrer Homepage auch der Süßwarenfabrikant Manner, sogar die Wiener Philharmoniker und die Stadt Wien als offizieller Partner genannt.
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