Washingtons Nation Building
Von Nick Brauns
Schon als die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) im Oktober 2015 als multiethnischer Militärverband gebildet wurden, um mit US-Luftunterstützung gegen den »Islamischen Staat« in Nordsyrien zu kämpfen, stand Washington Pate. Absicht der US-Regierung war es, die kampferprobten, aber zu ihrem Leidwesen an der sozialistischen Ideologie des Vordenkers der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Abdullah Öcalan orientierten kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ in einer Masse von arabischen Soldaten einschließlich konservativer Stammeskrieger einzuhegen.
Zehn Jahre nach SDF-Gründung ist Washington bemüht, die inzwischen zur stärksten Militäreinheit mit rund 100.000 mehrheitlich arabischen Soldaten in Syrien angewachsene Truppe als deren Rückgrat in die deutlich kleinere syrische Armee des islamistischen Präsidenten Ahmed Al-Scharaa zu überführen. Ziel der US-Regierung ist die Stabilisierung des Landes bei Begrenzung oder Verhinderung türkischen und iranischen militärischen Einflusses – auch im Interesse Israels. Die für Massaker an Drusen und Alawiten verantwortlichen dschihadistischen Fraktionen sollen durch Einbindung in eine zentralisierte Kommandostruktur – unter US-Observation – gezügelt und marginalisiert werden, wohl aber auch die sozialistischen Kader der Kurden.
Eine Absichtserklärung zur Integration der SDF in die Armee war zwischen dem SDF-Generalkommandanten Mazlum Abdî – selbst ein ehemaliger PKK-Guerillakämpfer – und Damaskus zwar bereits im März unterzeichnet worden. Doch ein Streitthema blieb, ob die SDF – wie von Abdî gefordert – en bloc in die syrische Armee integriert werden, oder aber – wie es Ankara verlangt – nach ihrer Auflösung als individuelle Soldaten. Die Existenz eines Frauenkampfverbandes lehnte die islamistische Regierung ab. Während sich in den letzten Wochen Angriffe von Regierungstruppen auf die nord- und ostsyrische Autonomieverwaltung häuften, arbeitete die US-Regierung an einem »umfassenden Stabilitätsrahmen für Syrien« und führte dazu Gespräche mit den verschiedenen Seiten.
Von den USA vermittelte Verhandlungen von Abdî, Vertretern von YPG und YPJ sowie Sicherheitsbehörden der nord- und ostsyrischen Autonomieregion mit Regierungsvertretern in Damaskus seien in den vergangenen Tagen »in konstruktiver Atmosphäre«, »substantiell und offen« verlaufen, hieß es aus Delegationskreisen am Montag gegenüber der kurdischen Nachrichtenagentur ANF. Mündlich sei die Integration der SDF in die syrische Militärstruktur und der Kräfte der inneren Sicherheit der Autonomieregion in die Generaldirektion für Sicherheit vereinbart worden, hatte Abdi zuvor bereits am Sonnabend mitgeteilt. Zwar bestünden weiterhin Differenzen darüber, wie eine Dezentralisierung der Regierungsführung definiert und umgesetzt werden soll, doch bilde sich zwischen den SDF und Damaskus zunehmend ein gemeinsames Verständnis heraus. Gelockt wurde die syrische Regierung hier offenbar mit der Zusage, Zugriff auf die von den SDF und der US-Armee kontrollierten Ölfelder von Deir Al-Sor zu erhalten, wie die türkische Tageszeitung Birgün meldete.
Die Außen- und Verteidigungsminister sowie Geheimdienstchefs der Türkei und Syriens kamen am Sonntag in Ankara zusammen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan betonte am Dienstag, eine rasche Integration der SDF in Syrien würde die Entwicklung des Landes deutlich beschleunigen. Zugleich warnte er die SDF, keine falschen Wege einzuschlagen, sondern die Einheit und territoriale Integrität Syriens zu unterstützen.
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