Deutsche Reeder für globalen Klimaschutz
Von Burkhard Ilschner
Wenn die UN-Schiffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organization) in London in dieser Woche ihren geplanten Beschluss zum Klimaschutz verabschiedet, könnte der Weltschiffahrt ein neuer, weiterer Konflikt mit der Trump-Administration in den USA bevorstehen: »Wir werden nicht zögern, Vergeltung zu üben«, drohten schon im August US-Außenminister Marco Rubio und drei weitere Ressortchefs in einer gemeinsamen Erklärung – zielten dabei aber bereits auf die am Dienstag beginnende Sitzung des IMO-Ausschusses für Meeresumweltschutz.
Es geht um die Dekarbonisierung der Welthandelsflotte, deren CO2-Emissionen vor allem durch den ständig steigenden Anteil größerer Schiffe auf inzwischen knapp drei Prozent gestiegen sind. Nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) rechnet die IMO selbst wegen anhaltenden Flottenwachstums mit einem Anstieg auf bis zu 17 Prozent bis 2050, falls nicht Antriebstechnologien und Energieeffizienz »tiefgreifend« angepasst würden.
Zum einen ist Klimaschutz in der globalen Schiffahrt bislang ein Flickenteppich unterschiedlichster Regeln; in Nord- und Ostsee gilt anderes als etwa vor den Küsten der USA oder ostasiatischer Häfen. Zum anderen hinkt sie seit langem der allgemeinen gesellschaftlichen Klimapolitik hinterher: Wegen des im IMO-Machtgefüge herrschenden Primats der großen Billigflaggenstaaten hat die Organisation erst 2018 ihre erste Treibhausgasminderungsstrategie beschlossen. Es dauerte dann bis zum Frühjahr dieses Jahres, diesen Beschluss mit Inhalt zu füllen: Im Mai 2025 verabschiedete der Meeresumweltschutzausschuss (Marine Environment Protection Committee, MEPC) auf seiner 83. Sitzung mit dem sogenannten Net-Zero Framework (NZF) ein erstes branchenweites Regelwerk über verbindliche Emissionsgrenzwerte, verbunden mit einem weltweiten Bepreisungssystem für CO2-Emissionen.
Dieses Regelwerk soll die CO2-Emissionen der Handelsschiffahrt bis spätestens 2050 auf null senken. Es gilt für Hochseeschiffe ab einer bestimmten Größe. Schätzungen zufolge würden damit rund 85 Prozent aller entsprechenden Emissionen »erfasst«. Wie im CO2-Handel üblich, bekommt handelbare Gutschriften, wer Emissionsstandards unterschreitet – wer sie verfehlt, muss pro Tonne CO2 zuzahlen. Alle Gelder sollen in einen neuen, von der IMO verwalteten Klimafonds fließen. Wer also sein Schiff besonders klimafreundlich betreibt, so wird behauptet, könne mit dem Gutschriftenhandel richtig Geld machen. In dieser Woche nun soll das Regelwerk endgültig verabschiedet werden, um dann laut IMO-Regularien 16 Monate später, also Anfang 2027, in Kraft zu treten.
Etliche Staaten – EU 27, Kanada, Großbritannien, Südkorea, Japan, Singapur, Panama, Chile und die meisten BRICS-Staaten –, Schiffahrtsverbände und knapp 200 Reedereien haben die Einigung auf das NZF begrüßt. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) schreibt: »Nur globale Vorgaben schaffen Planungssicherheit, faire Wettbewerbsbedingungen und bringen den Klimaschutz wirklich voran.« Auch der Nabu lobt zwar das NZF als »bedeutsamen und unerlässlichen Schritt«, sieht aber »noch eine Vielzahl von Schwächen, die Klima und Umwelt gefährden« könnten. Dennoch wird eine Verabschiedung in London allgemein erwartet.
Das Wutgeheul aus Washington kam, wie erwähnt, vorab: Die USA würden »kein internationales Umweltabkommen akzeptieren«, das sie »unangemessen oder ungerechtfertigt« belaste; eine »nicht rechenschaftspflichtige UN-Organisation« wolle hier »eine globale CO2-Steuer für Amerikaner« erheben. Zudem würde NZF »China zugute kommen«, denn das Regelwerk erfordere den »Einsatz teurer Kraftstoffe (…), die weltweit nicht verfügbar« seien; »bewährte Technologien« wie zum Beispiel LNG, bei denen die USA führend seien, würden gar ausgeschlossen. Während laut einem AP-Bericht die Trump-Administration bereits »Zölle, Visabeschränkungen und Hafenabgaben« als Strafmaßnahmen angedroht habe, kennt das American Bureau of Shipping (ABS) bereits die ultimative Waffe gegen NZF und für Klimaschutz: Nuklearantriebe.
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