Nachwuchs blinkt links
Von Kristian Stemmler
Als Felix Banaszak für ein Grußwort ans Podium tritt, schallt dem Kovorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen der Sprechchor »Linksrutsch jetzt!« entgegen. Auch das am Sonnabend auf dem Bundeskongress der Grünen Jugend in Leipzig neu gewählte Vorsitzendenduo Henriette Held und Luis Bobga ließ es an markigen Ansagen in Richtung Mutterorganisation nicht fehlen. »Wir können und wir werden diese Partei wieder auf links drehen«, rief Bobga unter dem Beifall der Delegierten aus.
Die neuen Bundessprecher Held und Bobga folgen Jette Nietzard und Jakob Blasel nach, die nicht wieder kandidierten. Nietzard hatte immer wieder mit zugespitzten Äußerungen den Unmut der Leitmedien und der Mutterpartei auf sich gezogen. So dachte sie in einem Interview laut über bewaffneten Widerstand nach, für den Fall, dass die AfD an die Macht kommt. Auf ihrem Instagram-Kanal zeigte sie sich mit einem Pullover, auf dem das Kürzel »ACAB« zu lesen war. Dies steht mitunter für die gegen die Polizei als Institution staatlicher Unterdrückung gerichtete Parole »All cops are bastards«.
Pünktlich zum Auftakt des Bundeskongresses kamen noch Vorwürfe von Parteifreunden auf den Tisch. Am Freitag berichtete der Spiegel, dass mehrere Mitglieder Nietzard Mobbing und Machtmissbrauch vorwerfen. Sie soll Mitstreiter eingeschüchtert und öffentlich diffamiert haben. Nietzard und Blasel hatten die Nachwuchsorganisation vor einem Jahr in einer Krisensituation übernommen. Ende September 2024 war der gesamte Vorstand der Grünen Jugend zurückgetreten und hatte die Partei verlassen, aus Protest gegen den angepassten Kurs der Grünen in der Ampelkoalition mit SPD und FDP.
Die neuen Bundessprecher wollen all das erkennbar vergessen machen und glänzten beim Bundeskongress mit linker Rhetorik. Die Klimakrise sei »kein Naturphänomen, die ist eine Klassenfrage und eine Frage der sozialen Gerechtigkeit«, erklärte Held, die aus Berlin kommt und in Greifswald Klima- und Umweltrecht studiert, in ihrer Bewerbungsrede. Die bisherige Vorsitzende des Grüne-Jugend-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern will die Lage in Ostdeutschland stärker in den Fokus nehmen. »Wir müssen zu den Menschen vor Ort«, sagte sie, »zu denen, die sich abgehängt fühlen, die nicht gehört und repräsentiert werden«.
Der Partei warf Held die Beteiligung an Verschärfungen der Asylpolitik vor. »Jetzt ist die Zeit, Verteilungsfragen zu stellen«, sagte sie. Ähnliches kam von Bobga, der in Münster geboren wurde, inzwischen in Köln lebt und für die Grünen in Nordrhein-Westfalen arbeitet. Er kritisierte die Anbiederung von Bündnis 90/Die Grünen an die CDU im Bundestagswahlkampf. Seine Partei habe keine Scheu gehabt, »Migration als Sicherheitsproblem darzustellen«, kritisierte Bobga, dessen Vater aus Kamerun kommt. Die Partei müsse wieder zu ihren Wurzeln finden. Umverteilungsfragen müssten »endlich ins Zentrum grüner Politik«.
Auch eine Abrechnung mit dem vor einem Jahr zurückgetretenen Vorstand stand in Leipzig auf der Agenda. Die Delegierten versagten den beiden Exvorsitzenden Katharina Stolla und Svenja Appuhn sowie den übrigen Vorstandsmitgliedern die finanzielle Entlastung, die auf solchen Terminen gewöhnlich Formsache ist. Mit diesem Beschluss sollen rechtliche Schritte gegen die frühere Führung möglich bleiben. Wie Mitglieder beim Bundeskongress erklärten, stehe mit dem offenbar sorgfältig geplanten Abgang des alten Vorstands der Verdacht im Raum, dass Mittel der Grünen Jugend zweckentfremdet wurden.
Der Bundeskongress beschloss auch, an der Altersgrenze von 27 Jahren festzuhalten. Die Mitgliedschaft endet also mit dem 28. Geburtstag. Ein Antrag, die Grenze um zwei Jahre anzuheben, scheiterte, weil die dafür nötige Zweidrittelmehrheit knapp verfehlt wurde.
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