6,6 Millionen profitieren
Von Gudrun Giese
Bis zu 6,6 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor könnten von der Erhöhung des Mindestlohnes auf 13,90 Euro pro Stunde ab dem 1. Januar 2026 profitieren. Diese Zahl basiert auf einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes (Destatis), die am Montag veröffentlicht wurde. Ende Juni hat sich die Mindestlohnkommission darauf geeinigt, die Erhöhung der Lohnuntergrenze in zwei Schritten zu empfehlen: zunächst auf 13,90 Euro, zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro pro Stunde. Für seine Schätzung über die Zahl der von der Mindestlohnerhöhung betroffenen Beschäftigten legte das Statistikamt die Verdiensterhebung vom April 2024 zugrunde. Danach wurde rund jedes sechste Beschäftigungsverhältnis damals mit weniger als 13,90 Euro Stundenlohn vergütet. Dabei nahmen die Statistiker an, dass zum Zeitpunkt der Schätzung alle Beschäftigten mit Löhnen unterhalb von 13,90 Euro den derzeit gültigen Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde bekommen. Für die ermittelten bis zu 6,6 Millionen Menschen aus dem Niedriglohnsektor ergäbe sich eine geschätzte Steigerung der Verdienstsumme um rund 400 Millionen Euro, so Destatis. Da Entgeltsteigerungen, die es nach dem April 2024 gegeben haben kann, nicht in die Schätzung eingegangen seien, sollten die Zahlen als Obergrenzen verstanden werden.
Wie zu erwarten, profitieren vor allem jene Personengruppen von einem höheren Mindestlohn, die am stärksten im Niedriglohnsektor vertreten sind: In etwa 20 Prozent der Jobs von Frauen erhöhe sich durch die Anhebung der Sätze zum kommenden Jahresbeginn der Stundenlohn, bei den Männern wirke sich die Erhöhung nur auf rund 14 Prozent spürbar aus. Für 20 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in Ostdeutschland bringt die Mindestlohnerhöhung ein Plus, in Westdeutschland profitieren etwa 16 Prozent davon. Mecklenburg-Vorpommern hat mit 22 Prozent den höchsten Anteil der von Niedriglöhnen betroffenen Jobs. Hamburg mit 14 Prozent die wenigsten unter den Bundesländern. Die beiden Branchen mit dem deutlich höchsten Anteil an Mindestlohnbeziehern sind das Gastgewerbe mit 56 und die Branche Land- und Forstwirtschaft, Fischerei mit 43 Prozent aller Jobs, meldete Destatis.
Steigt ein Jahr darauf der Mindestlohn wie von der Kommission vereinbart auf 14,60 Euro pro Stunde, könnten bis zu 8,3 Millionen Jobs (21 Prozent) davon profitieren, hat das Amt mit Bezug auf die Verdiensterhebung vom April 2024 weiter ermittelt. Auch dabei seien wiederum keine möglichen Entgelterhöhungen seit dem Erhebungszeitpunkt berücksichtigt worden, so dass die weitere Steigerung der geschätzten Verdienstsumme nach Erreichen der zweiten Erhöhungsstufe beim Mindestlohn um rund 430 Millionen Euro als Obergrenze zu verstehen sei. Das gelte ebenso für die Gesamtzahl der vom Mindestlohn profitierenden Beschäftigten. Wegen bestehender Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn hat das Statistikamt Auszubildende, Praktikanten und Minderjährige bei den Auswertungen nicht berücksichtigt.
Laut einer Forsa-Studie halten 54 Prozent der Bundesbürger aus dem Westen die künftige Mindestlohnhöhe für angemessen, in Ostdeutschland sind es 45 Prozent. Darüber berichtete Ende Juni n-tv. Unter den Anhängern der AfD halten mit 39 Prozent besonders viele ein Entgelt von 14,60 Euro pro Stunde für zu hoch, während 70 Prozent der Wähler von Bündnis 90/Die Grünen es befürworten. Wer sich den Parteien Die Linke und SPD zuordnet, liegt laut der Umfrage zwischen diesen beiden Werten. Aber es gibt auch Ängste: Nach einer repräsentativen Befragung des INSA-Instituts von Ende Juni unter 1.004 Erwachsenen gehen 76 Prozent der Bundesbürger davon aus, dass auf die Erhöhung der Lohnuntergrenze Preissteigerungen folgen werden. Darüber berichtete die Bild Anfang Juli. Nur 15 Prozent der Befragten sehen keinen Zusammenhang zwischen einer Mindestlohnerhöhung und der Inflation. Weitere neun Prozent wollten sich nicht zum Thema äußern. Besonders groß war die Gruppe der Besorgten mit jeweils rund 80 Prozent unter den Anhängern von CDU/CSU und BSW, am geringsten bei den Fans von Bündnis 90/Die Grünen mit etwa 65 Prozent.
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