Warum der Goldpreis steigt
Von Lucas Zeise
Der Preis für 31,1 Gramm (oder eine Feinunze) Gold ist am vergangenen Mittwoch zum ersten Mal über 4.000 US-Dollar gestiegen. Der Preisanstieg an dem Tag machte 1,6 Prozent aus. In diesem Jahr ist der Goldpreis damit schon um mehr als 50 Prozent gestiegen. Es liegt nahe, den rasanten Preisanstieg als Krisenzeichen für den US-Dollar beziehungsweise das gesamte Weltfinanzsystem zu werten. Gold ist schließlich immer noch eine Art Geld, und zwar in erster Linie als Wertaufbewahrungsmittel. Weniger bei den Reichen und Superreichen, sondern bei den Zentralbanken der Welt. Zentralbanken produzieren die Währung ihres Staates (oder im Falle des Euro einer Gruppe von Staaten) und halten als Reserve Geld anderer Staaten, die sogenannten Währungsreserven, vor, um die Kapitalisten und sonstigen Bürger des eigenen Landes jederzeit zahlungsfähig zu halten.
Da bis heute der US-Dollar die Weltwährung schlechthin ist, halten die meisten Zentralbanken der Welt den Großteil ihrer Reserven in US-Dollar. Die Zentralbank der USA braucht keine Reserven in US-Dollar zu halten, die sie schließlich in unbegrenzter Höhe selbst in die Welt setzen kann, hält aber dafür den global größten Goldschatz von 8.134 Tonnen in den Kellern in Manhattan und Fort Knox. Als die Welt noch in Ordnung war, also vor 1971, haben die USA anderen Zentralbanken (vor allem den europäischen Handelspartnern Frankreich, Italien und Westdeutschland) für je 35 US-Dollar eine Unze Gold übereignet. Aus dieser Zeit stammt der heutige Goldschatz der Deutschen Bundesbank in Höhe von 3.352 Tonnen, der zweitgrößte der Welt. Er liegt seit 1971 weitgehend unberührt zur Hälfte in den Kellern der Bundesbank in Frankfurt am Main, zur anderen – neben dem Gold der USA – in den Kellern der ehemaligen Besatzungsmacht.
Das ist Nachkriegsgeschichte. Die jüngste Geschichte handelt von den Währungsreserven in US-Dollar und in Euro, die die Russische Föderation angehäuft hatte. Das waren, wie man sich denken kann, keine riesigen Stapel grüner US-Dollar-Noten und alter 500-Euro-Scheine, sondern Depotguthaben über Staatsanleihen bei den Zentralbanken der USA und einzelner Euro-Staaten. Volumen damals etwa 280 Milliarden Euro. In einem Coup wurde dieser Betrag im Februar 2022 von den NATO-Staaten und ihren Verbündeten eingefroren, also dem Zugriff der rechtmäßigen Eigentümerin, der russischen Zentralbank, entzogen. Seitdem haben es die Zentralbanken dieser Welt – nicht nur diejenigen, die wie die Russlands, Chinas, Irans oder Venezuelas vom Westen mit Sanktionen bedroht sind – eher vermieden, US-Dollar und Euro als Währungsreserven zu halten und statt dessen Gold zugekauft. Das Resultat wird jetzt sichtbar. Die Rolle des US-Dollars als Reservewährung erodiert. Der Euro ist keine Alternative, weil er den gleichen politischen Zwängen ausgesetzt ist. Die chinesische Währung Renminbi ist nur begrenzt einsetzbar. Der Goldpreis hat sich seitdem verdoppelt. Die Erosion des Weltfinanzsystems geht von den kapitalistischen Zentren aus.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (11. Oktober 2025 um 21:23 Uhr)Mein Kleinhirn weigert sich, im Artikel eine Erklärung für den Goldpreisanstieg zu finden. So meint es mit dem Verfasser: »Es liegt nahe, den rasanten Preisanstieg als Krisenzeichen für den US-Dollar beziehungsweise das gesamte Weltfinanzsystem zu werten.« Mein Lobus frontalis als zahlenmystischer Korinthenkacker hat mal wieder die Tabellenkalkulation angeworfen und herausgefunden, dass die Zentralbanken und sonstigen Institutionen dieser Art nicht für die spekulativen Preissteigerungen verantwortlich sein können. Lediglich die Zentralbanken der Volksrepublik China (3,8 %), Russlands (3,5 %), Polens (1,1 %), Indiens (1,0 %), Ungarns (0,3 %) und der Türkei (0,3 %) haben zwischen 2015 und 2024 ihre Goldreserven um mehr als hundert Tonnen aufgestockt. Die Prozentzahlen in runden Klammern beziehen sich auf die weltweite Goldförderung von 31.970 Tonnen im genannten Zeitraum. An einer spekulativen Überbewertung des Goldes dürften diese Banken kein Interesse haben. Andererseits scheint zumindest in China und Russland das Gold aus inländischer Förderung zu stammen, also nicht auf den Weltmarkt einzuwirken. Gold scheint inzwischen »bei den Reichen und Superreichen« doch wieder »als Wertaufbewahrungsmittel« beliebter zu werden. Auf die schnelle habe ich leider keine aktuellen Zahlen zum Thema finden können. Mir scheint, dieser Aspekt verdient eine genauere Betrachtung, denn wenn die »Reichen und Superreichen« ihr Heil im Gold suchten, ließe das auf eine entsprechende Verunsicherung dieser Kreise bezüglich der Brauchbarkeit der »Ankerwährung« als Wertaufbewahrungsmittel schließen. Wertlose Papierstücke mit Zahlenbeschriftung haben sie ja genug.
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