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Aus: Ausgabe vom 11.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Argentinien

Wahlkampfhilfe aus Washington

US-Regierung kauft Argentinische Pesos und verkündet Swap-Linie in Höhe von 20 Milliarden Dollar: Für Milei gerade rechtzeitig
Von Frederic Schnatterer, Buenos Aires
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Der US-Dollar als Retter in Not? Wegen der steigenden Inflation können sich die Argentinier immer weniger leisten

Zuletzt hatten sich immer mehr Argentinier gefragt, ob ihr Wirtschaftsminister Luis Caputo überhaupt wieder aus Washington zurückkehren werde. Am Donnerstag nachmittag (Ortszeit) hieß es nun, er lande im Laufe des Freitags wieder zu Hause. Mit im Gepäck hat er Neuigkeiten, die der ultraliberalen Regierung ein wenig Luft zum Atmen verschaffen. Die Ankündigungen von Ende September, als US-Präsident Donald Trump seinem Verbündeten Javier Milei »uneingeschränkte und volle Unterstützung« zugesichert hatte, sorgten nur kurz für den gewünschten Stabilisierungseffekt an den Finanzmärkten. Nach Tagen intensiver Verhandlungen lässt Washington den Worten Taten folgen.

Über X verkündete US-Finanzminister Scott Bessent am Donnerstag, eine Swap-Linie in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar einzurichten. Zudem erklärte er: »Wir haben heute direkt Argentinische Pesos gekauft.« Das US-Finanzministerium sei dazu bereit, »unverzüglich alle erforderlichen außergewöhnlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Märkten Stabilität zu gewährleisten«. Das sei notwendig, da Argentinien vor einer »akuten Zahlungsunfähigkeit« stehe. »Der Erfolg der argentinischen Reformagenda ist von systemischer Bedeutung, und ein starkes, stabiles Argentinien, das zur Verankerung einer prosperierenden westlichen Hemisphäre beiträgt, liegt im strategischen Interesse der Vereinigten Staaten«, so Bessent weiter.

Wie das Hilfspaket genau aussehen soll, soll erst in der kommenden Woche verkündet werden. Am Donnerstag reagierte Präsident Milei in den sozialen Medien euphorisch auf den Durchbruch. Caputo bezeichnete er als »bei weitem den besten Wirtschaftsminister in der Geschichte Argentiniens«. Am Dienstag reist Milei zu seinem Retter Trump, von dem er erstmals im Weißen Haus empfangen wird.

Der Peso-Kauf zeigte bereits am Donnerstag Wirkung. Der offizielle Wechselkurs ging von 1.480 auf 1.450 Argentinische Pesos für einen US-Dollar zurück. Zuvor war dem argentinischen Finanzministerium die Puste ausgegangen, nachdem es in den vorangegangenen sechs Werktagen mehr als zwei Milliarden US-Dollar ausgegeben hatte, um den Peso niedrig zu halten – ohne Erfolg. Zunächst sieht es außerdem nicht so aus, als forderten die USA eine sofortige Aufhebung der gültigen Wechselkursbeschränkungen. So erklärte Bessent am Donnerstag: »Die Wechselkursspanne ist weiterhin zweckmäßig.« Derzeit gilt eine Ober- und Untergrenze für den Kurs, innerhalb derer sich der Peso bewegen darf.

Mileis politisches Überleben hängt daran, dass der Peso zumindest bis zur Parlamentswahl am 26. Oktober nicht weiter an Wert verliert; angesichts der Dollar-Knappheit Argentiniens wäre ein solcher Wertverlust ohne Hilfe von außen unabwendbar. Die Folge wäre ein starker Anstieg der Inflation, deren Rückgang als nahezu einziger Wirtschaftserfolg der Milei-Regierung gilt. Doch selbst wenn es die argentinische Regierung ohne weitere Turbulenzen bis zur Abstimmung in etwas mehr als zwei Wochen schafft, ist ein Erfolg keineswegs ausgemacht.

Martín Schorr, der als Universitätsdozent und Wirtschaftswissenschaftler beim Nationalen Forschungsrat Conicet tätig ist, vergleicht die Situation mit einer »Zeitbombe«. »Alles deutet auf eine Abwertung des Peso hin; die Frage ist nur, ob das vor oder nach dem 26. Oktober geschieht«, sagte er im Gespräch mit junge Welt. Die Regierung sei seit dem Wahldebakel in der Provinz Buenos Aires Anfang September und einer Reihe von Korruptionsskandalen nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich enorm geschwächt. »Es ist, als laufe sie auf der Kante eines Bergrückens, die immer schmaler wird. Irgendwann wird sie in die Tiefe stürzen. Jetzt, da sie ihre Unterstützung bei immer mehr Leuten verliert, dürfte das eher früher als später geschehen«, so Schorr.

Neben der Motivation geopolitischer Natur, Chinas Einfluss in Südamerika zurückzudrängen, sieht der Experte auch unmittelbare und handfeste Wirtschaftsinteressen hinter dem Einspringen von Trump. »Bessent und Caputo sind Vertreter der brutalsten Kreise des Finanzkapitals. Ihnen geht es darum, den Spekulanten die für deren Zockerei notwendigen Dollars zu verschaffen«, so Schorr. So solle das Geschäft am Laufen gehalten werden, das Carry Trade genannt wird. Bei dieser Spekulationsstrategie tauschen Investmentfonds US-Dollar in Argentinische Pesos um, wobei sie von einem stabilen Wechselkurs profitieren. Mit diesen Pesos tätigen sie sehr lukrative Finanzinvestitionen in öffentliche Anleihen und in Aktien, die hohe Rendite versprechen. Sobald das Risiko der Aktion steigt, verkaufen sie ihre Papiere und tauschen die Pesos wieder in Dollar. »Damit haben sie unter Milei sehr viel Geld gemacht«, so Schorr.

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