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Aus: Ausgabe vom 09.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Staatsschulden

Vom Zittern der Anleihenmärkte

US-Präsident Trump drängt Federal Reserve zur Senkung der Leitzinsen. Sein Angriff auf Notenbank und Dollar treibt Renditen hoch
Von Lucas Zeise
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Lächelnd unter Druck setzen: Trump (M.) neben Fed-Chef Powell (r.) zu Besuch bei der Notenbank (Washington, 24.7.2025)

Im Oktober 2022 gab die damalige Premierministerin Großbritanniens auf. Sie hatte ein Zwischenbudget vorgelegt, das enorme Steuersenkungen für die Reichen vorsah. Obwohl dergleichen »Reformen« an den Finanzmärkten meist gut ankommen, wurden sie dieses Mal als unsolide aufgefasst. Die Anleihenkurse des Landes gaben markant nach. Die Renditen stiegen entsprechend. Obwohl Liz Truss immer noch über eine satte konservative Mehrheit verfügte, sah sie sich genötigt zurückzutreten. Das war einer der seltenen Fälle, in denen der Finanzmarkt für Staatsanleihen eine sofortige politische Wirkung hatte. Ähnliches wurde in Frankreich befürchtet – am Montag abend sollte Premierminister François Bayrou die Vertrauensfrage stellen (Ergebnis nach jW-Redaktionsschluss). Sein Finanzminister Éric Lombard hatte öffentlich die Katastrophe an die Wand gemalt, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) eingreifen könne, sollte das Land seine Finanzen nicht in Ordnung bringen. Hier haben wir es mit der typischen Frontlinie zu tun, in der das Finanzkapital rigide Einschnitte bei den Staatsausgaben verlangt, und konservative Politiker die fallenden Kurse (und damit steigenden Renditen) der Staatsanleihen als Seismographen für den kritischen Zustand der Staatsverschuldung werten.

Vor einer Woche schafften es die Bondmärkte in den USA mal wieder in die Schlagzeilen. Die Kurse für Staatsanleihen gaben stark nach, und ihre Renditen stiegen. Der Goldpreis stieg auf einen weiteren Rekord von über 3.600 US-Dollar je Unze. Anders als in Frankreich geht es dabei weniger um die Staatsfinanzen selbst. Die Regierung von Donald Trump unterscheidet sich in dieser Hinsicht wenig von der vorigen unter Joe Biden. Beide waren und sind bereit, immer höhere 100-Milliarden-Dollar-Beträge für die Förderung von Investitionen des heimischen Kapitals einzuschießen. Es wird weitgehend hingenommen, dass im Zuge dessen die Staatsverschuldung markant nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch im Verhältnis zur wirtschaftlichen Gesamtleistung wächst.

Fed noch restriktiv

Anders als ihre Vorgänger ist die Trump-Regierung nicht bereit, für das Standing der USA als weltgrößter Schuldner gegenüber anderen Staaten Kompromisse einzugehen. Das äußert sich in ihrer aggressiven Zollpolitik gegenüber dem Ausland und in der Haltung zur Zentralbank Fed. Seit seinem Amtsantritt hat Trump die Zinspolitik der Notenbank und die ihres Präsidenten als zu restriktiv angegriffen. Tatsächlich hatte die US-Zentralbank die Leitzinsen, anders als etwa die Europäische Zentralbank EZB, seit dem Jahreswechsel nicht mehr gesenkt. Es gibt dafür akzeptable Gründe, etwa dass die Wachstumsraten in den USA schon im vergangenen Jahr, aber auch 2025 deutlich höher sind als in der EU. Der Leitzins, zu dem die Fed den Banken frischen kurzfristigen Kredit zur Verfügung stellt, liegt derzeit bei 4,25 bis 4,5 Prozent. Trump selbst will, wie er sagt, halb so hohe Zinsen, um der US-Wirtschaft noch mehr Schwung zu verleihen – das wäre etwa das Niveau in der Euro-Zone, wo der Einlagensatz der EZB derzeit bei zwei Prozent liegt. Er beschimpft öffentlich immer wieder den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell – den Trump selbst vor sechs Jahren ernannt hat und der im Frühjahr nächsten Jahres ohnehin ausscheidet – wegen der zu hohen Leitzinsen. Powell hat aber vor einigen Wochen auf der Fachtagung der Banker und Notenbanker in Jackson Hole angedeutet, dass im September bei der nächsten regulären Sitzung die ersehnte Zinssenkung erfolgen könnte.

Trump greift ein

Die Unruhe an den Bondmärkten entstand, als Trump vor zwei Wochen die Entlassung der Fed-Gouverneurin Lisa Cook anordnete. Cook ist eine von sieben Mitgliedern des Vorstands der US-Zentralbank. Sie war noch von Trumps Vorgänger Biden nominiert und vom US-Senat für eine Amtszeit bis 2038 bestätigt worden. Janet Yellen, Vorgängerin Powells als Notenbankchefin und anschließend Finanzministerin in den vier Jahren der Biden-Präsidentschaft, wählte drastische Worte. Sie wertete den Rauswurf als einen Versuch der »Einschüchterung« und als Angriff auf die Unabhängigkeit der Notenbank. Beides trifft sicher zu. Yellen selbst argumentiert damit, dass Trumps Attacke die führende Position des Dollars als Weltwährung und die überragende Position der US-Staatsschulden an den Finanzmärkten gefährden könne.

Das ist nicht weit hergeholt. Die »Unabhängigkeit« der Notenbanken gegenüber Regierung und Parlament ist in Gesetz und Statuten sehr vieler kapitalistischer Staaten im Zuge der neoliberalen Konterrevolution als Absicherung gegenüber demokratischen oder populistischen Zumutungen des Pöbels in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts verankert worden. Die Noten- oder Zentralbank fungiert damit als Interessenvertretung des nationalen und internationalen Geldkapitals. Trumps Angriff auf die Notenbank beschränkt sich ausdrücklich nicht nur auf ihre Geld- und Zinspolitik. Bemerkenswert ist vor allem, dass er Stephen Miran als seinen Kandidaten für den Vorstand der Fed nominiert hat, der allerdings noch vom Senat bestätigt werden muss. Miran hatte im November vorigen Jahres, pünktlich zur Wahl Trumps zum Präsidenten, einen Plan vorgelegt, der neben den Einfuhrzöllen auch eine Abwertung des Dollars vorsieht, sowie eine Vereinbarung mit den Gläubigern der US-Staatsschuld, die Anleihen der USA langfristig zu halten und zugleich eine niedrigere Verzinsung zu akzeptieren. Es wäre damit nicht mehr das »außerordentliche Privileg« der USA, über die Weltwährung zu verfügen, sondern ein Privileg für andere Staaten und Geldkapitalisten, Gläubiger des US-Staates sein zu dürfen.

USA ohne Beispiel

Der Vorschlag ist kühn. Aber an Kühnheit gebricht es den heute regierenden Herren und Damen in Washington nicht. In diesem Zusammenhang ist es nützlich, sich die Dominanz der USA bei den handelbaren Staatsschulden nach Angaben der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) vor Augen zu halten (in Billionen Dollar): Mit 35,3 Billionen US-Dollar stehen die Vereinigten Staaten an einsamer Spitze, gefolgt von China, das Staatsschulden in Höhe von 16,6 Billionen US-Dollar führt. Nach Japan an dritter Stelle mit 9,5 Billionen US-Dollar rangieren dahinter Großbritannien, Frankreich, Indien, Italien, Deutschland und Kanada mit einer Verschuldung von 4 bis 2 Billionen US-Dollar.

In gewisser Weise untertreibt diese Aufstellung noch die überragende Bedeutung der US-Staatsschulden für den internationalen Finanzmarkt. Denn die Staatsschulden der beiden riesigen asiatischen Länder China und Indien werden vorwiegend im jeweiligen Inland gehandelt. Die Bedeutung der US-Staatsschulden wird auch daran deutlich, dass für den Investor die Alternative fehlt. Es hat Jahre gedauert, bis China, das zu Zeiten vor der Finanzkrise 2007 mit etwa 5 Billionen Dollar noch größter Einzelgläubiger der USA war, in andere Anlagen diversifiziert hat.

Als während der Euro-Staatsschuldenkrise die Kurse der Anleihen Griechenlands, Italiens und weiterer EU-Staaten in den Keller gingen, suchten die Geldkapitalisten Zuflucht in deutschen Anleihen. Resultat waren enorm niedrige Zinsen für Bundesanleihen. Wenn jetzt die Dollaranleihen der großen USA wackeln, zittert der weltweite Finanzmarkt, und der Goldpreis steigt.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (9. September 2025 um 11:04 Uhr)
    Ergänzende Anmerkung zum Artikel: Zwei Drittel der US-Wirtschaft hängen am privaten Konsum. Doch die Stimmung trübt sich ein: Arbeitsmarktdaten bleiben seit Monaten hinter den Erwartungen zurück, inzwischen gibt es mehr Arbeitssuchende als offene Stellen. Das erhöht zwar den Druck auf die Fed, die Zinsen zu senken – ganz im Sinne Trumps –, verunsichert aber die Verbraucher. Die Kreditkartenschulden sprechen Bände: Mit 1,21 Billionen US-Dollar liegen sie auf Rekordniveau. Selbst Besserverdienende geraten ins Straucheln. Die Frage ist, wie lange Amerikas Konsumenten noch die Rolle des Wachstumsmotors spielen, wenn der Arbeitsmarkt weiter schwächelt. Zusätzlicher Unsicherheitsfaktor: Trumps Zollpolitik. Weniger die Abgaben selbst, als vielmehr das ständige Hin und Her belastet Unternehmen wie Käufer. Unberechenbarkeit wird so zum größten Risiko für die Konjunktur.

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