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Aus: Ausgabe vom 04.10.2025, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Peru

Rebellisches Belén

Eine Wassersiedlung in Peru versucht, Armut, Klimawandel und Krankheiten zu trotzen
Von Giuditta Pellegrini
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Die Hauptstraße in Belén stand im April dieses Jahres unter Wasser

Belén ist das schwimmende Viertel der peruanischen Stadt Iquitos, es liegt am Itaya, einem direkten Nebenfluss des Amazonas. Seine Geschichte zeugt von einem rebellischen Geist. Die ursprüngliche Siedlung wuchs im 19. Jahrhundert im Herzen der Metropole, als Menschen aus den umliegenden Dörfern auf der Suche nach Arbeit dort hinzogen. An der Grenze zwischen Stadt und Dschungel lebend, organisierten Beléns Bewohner Anfang des 20. Jahrhunderts Demonstrationen und Streiks, um Steuererleichterungen und bessere Arbeitsbedingungen zu fordern. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung von Iquitos, die zunächst mit der Kautschukproduktion und dann, in den 1970er Jahren, mit der Ölindustrie verbunden war, wuchs die Siedlung. Heute leben dort rund 70.000 Menschen.

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Der Markt ist höher gelegen, hier arbeiten viele der Einwohner

Kaum ein Haus verfügt über fließendes Wasser, Strom oder Kanalisation. In jüngster Zeit wurde die Bevölkerung, die buchstäblich in Symbiose mit dem Fluss lebt, durch Bergbauaktivitäten am Amazonas und den Klimawandel beeinträchtigt. So gab es beispielsweise 2024 eine große Dürre und außergewöhnliche Überschwemmungen, die das Gebiet im April heimsuchten und durch die das Risiko größer wurde, an Dengue-Fieber, Malaria und anderen Infektionskrankheiten zu erkranken.

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Seit 2002 ist Belén ein selbstständiger Stadtbezirk, in dem ein eigener Bürgermeister gewählt wird

Ein Brand, der 2012 durch die Explosion einer Gasflasche verursacht wurde und mehrere Häuser beschädigte, veranlasste die lokalen Behörden, auf dem Festland eine Siedlung mit Fertighäusern zu errichten. In die »Ciudad Nueva de Belén« sollen 2.400 Familien umgesiedelt werden, die laut Zentralregierung »in einem Hochrisikogebiet leben, in dem die Lage nicht verbessert werden kann«.

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Eine der Haupteinnahmequellen: Der Fischfang auf dem Itaya

Rosendo ist Experte für die Tierwelt des Amazonasgebiets und bessert sein Einkommen durch das Begleiten der wenigen Besucher des halb versunkenen Stadtviertels Belén auf. Er erklärt uns bei einer Führung, dass viele der ursprünglichen Bewohner, die sich in der Neubausiedlung niedergelassen hatten, in ihre schwimmenden Häuser zurückgekehrt sind: »Weil es keine Arbeit, keine Schulen und keine Dienstleistungen gibt. Die Verbindung zur Stadt ist schlecht.«

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Belén ist eine der ärmsten Regionen in der Provinz Loreto

Die Forscherin Sharo Evangelina Lopez Javier hat in ihrer Studie zur »neuen Stadt Belén« hervorgehoben, dass diese Art von Intervention wie Kahlschlag wirkt. »Soziale Netzwerke, Zugang zu Beschäftigung und andere Möglichkeiten« blieben unberücksichtigt, während »die Bevölkerung, die das Leiden unter den Umweltbedingungen als Normalität akzeptiert hat, versucht, Widerstand zu leisten und nach neuen Wegen sucht, um besser zu leben«.

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Der Fisch kommt aus dem Fluss, mit dem die Menschen in einer Art Symbiose leben

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