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Aus: Ausgabe vom 16.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
COP 30 in Brasilien

Beléms teure Betten

»FIASCOP 30«: Klimaschutzgipfel am Amazonas droht wegen Wucherpreisen für Unterkünfte zu scheitern
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
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Auf dem letzten Meter neue Unterkünfte schaffen: Arbeiter beim Bau eines Hotels in Belém (16.7.2025)

Der bevorstehende UN-Klimaschutzgipfel (COP 30) in der Hafenstadt Belém do Pará scheint bereits vorab zum Scheitern verurteilt. Grund: Absurd hohe Preise für Unterkünfte. Statt der »besten COP aller Zeiten«, wie von Brasiliens Präsident Lula da Silva angekündigt, könnte es in der Amazonasmetropole zu einem Fiasko kommen. Ein brasilianischer Kolumnist, Lorenzo Carrasco in der Gazeta do Povo, hat den vom 10. bis 21. November in Belém geplanten Klimagipfel daher bereits als »FIASCOP 30« bezeichnet.

Medienberichten zufolge haben die Vermieter die Übernachtungspreise für die rund 50.000 erwarteten Teilnehmer der COP 30 in Belém verzehnfacht und teilweise verhundertfacht auf bis zu 2.000 Euro pro Tag. So erhöhte ein Motel in Belém den Zimmerpreis von rund elf Euro pro Nacht um mehr als 3.000 Prozent auf 364 Euro. Viel zuviel für die Delegierten ärmerer Länder, Nichtregierungsorganisationen und selbst für Österreich. Dessen Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bereits angekündigt, nicht zur UN-Klimakonferenz nach Brasilien reisen zu wollen – aufgrund der »diesmal besonders hohen Kosten«. Sie seien »nicht im engen budgetären Rahmen der Präsidentschaftskanzlei«, erklärte er.

Bereits Ende Juli, rund 100 Tage vor der COP 30 forderten einige Staaten der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) zusammen mit 27 anderen Staaten wie Belgien, Kanada, Norwegen, die Niederlande und Schweden in einem Brief an die Vereinten Nationen sogar die Verlegung des Gipfels in eine andere Stadt in Brasilien, falls nicht rasch der anhaltende Mangel an angemessenen und bezahlbaren Unterkünften gelöst werde. Die Übernachtungspreise dürften maximal 164 Dollar betragen »in Übereinstimmung mit der von den Vereinten Nationen festgelegten Tagespauschale«. »Wir alle sind Beamte, die gegenüber den Steuerzahlern verantwortlich sind, und wir können keine Ausgaben in Höhe unseres Jahreseinkommens für die Teilnahme an der COP 30 rechtfertigen«, heißt es in dem Schreiben.

Gegenüber den Medien kritisierte der Vorsitzende der insgesamt 44 Staaten umfassenden LDC-Gruppe, Evans Njewa, dass gerade die ärmsten Länder am stärksten von der Klimakrise betroffen sind, obwohl sie kaum zur globalen Erwärmung beigetragen haben. Die Aussicht, dass viele dieser Staaten aufgrund logistischer Hindernisse von der COP 30 ausgeschlossen werden, wäre nicht nur bedauerlich, sondern würde auch einen gravierenden Mangel an Inklusion und Gerechtigkeit darstellen.

Auch die brasilianischen Nichtregierungsorganisation Observatorio do Clima warnt, ein Fernbleiben von Ländern könnte ernste Konsequenzen für den Gipfel haben. Länder, deren Delegationen verkleinert sind und die deshalb nicht an den Debatten teilnehmen können, könnten die Resolutionen in Frage stellen und mit Recht geltend machen, dass das Gastgeberland ihre Teilnahme verhindert habe.

Brasiliens Regierung hat zwar inzwischen zwei Kreuzfahrtschiffe, die MSC Seaview der belgischen Reederei MSC Cruises und die unter italienischer Flagge fahrende »Costa Diadema« mit insgesamt rund 6.000 Betten angemietet, doch auch das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und gleichfalls zu teuer. Laut offiziellen Zahlen gelte auf den Schiffen für Delegationen aus den 98 ärmsten Ländern ein Preisdeckel von rund 220 US-Dollar pro Nacht. Andere Staaten müssten bis zu 600 US-Dollar für eine Kabine berappen.

Der Chef des brasilianischen Organisationskomitees der Konferenz, COP-30-Präsident André Corrêa do Lago, lehnt bislang eine Verlegung des Austragungsortes klar ab. Es gebe keinen »Plan B«. Belém werde die COP ausrichten, versicherte er. Mehr als 20 Umwelt-, Klimaschutz und Jugendorganisationen fordern unterdessen »kostenlose Unterkünfte« für die junge Zivilgesellschaft und vor allem für die Aktivisten der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Menschen und Gebiete (MAPA, Most Affected People and Areas, jW), die sich in angemessener Nähe zum Veranstaltungsort befinden und über öffentliche Verkehrsmittel und COP-Shuttles leicht erreichbar sind.

»Anstatt eines globalen multikulturellen Events drohe eine exklusive COP der Reichen, der Industrie, der Erdölstaaten und jener, die die Krise erst verursacht haben und die ambitionierte und gerechte Klimapolitik weiter blockieren«, heißt es in ihrem öffentlichen an die COP-30-Veranstalter gerichteten Schreiben. Bis jetzt hat die brasilianische Regierung mehr als Milliarde Euro für Infrastrukturprojekte im Zusammenhang mit der COP 30 in Belém ausgegeben.

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